Vom Erbrecht 173
Die Pflichtteilsberechtigten werden vom Gesetze
nicht als Erben behandelt, d. h. ihnen fällt nicht etwa mit dem
Tode des Erblassers der sie treffende Teil des Nachlasses im Stück
nebst den darauf haftenden Schulden an, sondern sie können nur von
demjenigen, welcher Erbe wird, den Wert ihres Pflichtteils in Geld
verlangen. Damit übrigens nicht der Erblasser das Pflichtteilsrecht
bei seinen Lebzeiten durch Schenkungen absichtlich schmälern könne,
gibt das Gesetz den Pflichtteilsberechtigten die Befugnis, zu verlan—
gen, daß bei Feststellung der Höhe des Nachlasses, aus welchem sich der
Pflichtteil berechnet, auch diese Schenkungen dem beim Tode vor—
handenen Nachlaßvermögen hinzugerechnet werden.
Der Erblasser darf aber durch letztwillige Verfügungen
auch den Pflichtteilsberechtigten ihren Pflichtteilsanspruch entziehen,
sie also völligenterben, wenn sie sich bestimmter schwerer, ins-
besondere strafbarer Verfehlungen gegen ihn, seinen Ehegatten oder
seine Abkömmlinge schuldig machen. Bei Kindern und deren Abkömm—
lingen ist eine völlige Enterbung auch dann zulässig, wenn sie
einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel führen. Ferner kann
der Erblasser wegen Verschwendung oder Ueberschuldung eines Ab—
kömmlings eine sogenannte Beschränkung des Pflicht-
teils in guter Absicht anordnen, indem er entweder die ge-
setzlichen Erben des Pflichtteilsberechtigten als Nacherben (s. Nr. 494)
oder Nachvermächtnisnehmer einsetzt oder die Verwaltung des Pflicht-
teils auf die Lebenszeit des Pflichtteilsberechtigten einem Testaments-
vollstrecker (s. Nr. 497) überträgt.
Ihres Erbrechts überhaupt und damit auch ihres Anspruchs auf
den Pflichtteil gehen verlustig Personen, welche erbunwürdig
sind. Wer nämlich den Erblasser vorsätzlich getötet oder zu töten ver-
sucht oder ihn testierunfähig gemacht hat, wer eine Testamentserrich-
tung widerrechtlich verhindert oder im Wege der Täuschung oder durch.
Drohung veranlaßt oder wer ein Testament gefälscht oder zerstört hat,
dessen Erbrecht (beruhe es nun auf dem Gesetz oder auf Testament)
kann von den anderen Beteiligten wegen Erbunwürdigkeit angefoch-
ten werden.
IV. Die rechtliche Stellung der Erben.
1. Die Annahme und Ausschlagung der Erbschaft.
Mit dem Augenblicke des Todes des Erblassers geht, wie wir
bereits sahen, dessen Nachlaß als Ganzes (nämlich die Aktiven und
Passiven) auf den oder die Erben über. Jedoch haben die Erben
(mit Ausnahme des Fiskus) das Recht, die Erbschaft auszuschlagen.
Diese Ausschlagung der Erbschaft, zu der zumeist die
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