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192 Das Zivilprozeßverfahren
ruht daher auf dem Grundsatze der Mündlichkeit, d. h.
die Entscheidungen werden gefällt auf Grund einer Verhandlung, in
welcher der ganze Prozeßstoff von den Parteien oder ihren Vertretern
mündlich vorgetragen wird; dies schließt selbstverständlich nicht aus,
daß diese Verhandlungen, welche grundsätzlich öffentlich
sind (s. Nr. 205), durch Schriftsätze der Parteien vorbereitet werden,
was in größeren Sachen schon deshalb nötig ist, weil die Parteien
sich sonst häufig auf die gegnerischen Behauptungen nicht erklären
könnten.
Endlich ist auch der Grundsatz des wechselseitigen
Gehörs in unserem Zivilprozeßverfahren durchgeführt, d. h. es wird
in der Regel keine Entscheidung zugunsten einer Partei getroffen,
ohne daß die Gegenpartei vorher gehört wurde; denn, wie schon ein
altes deutsches Rechtssprichwort sagt: „Eines Mannes Rede ist keine
Rede, man muß sie hören alle Beede.“
II. Die Zuständigkeit der Gerichte.
Die Gerichtspersonen.
Wer eine Rechtssache beim Gericht anhängig machen will, muß
sich zunächst fragen, welchen Gerichten (Amtsgerichten, Landgerichten
usw.) die Verhandlung und Entscheidung von Streitigkeiten dieser
Art zusteht, d. h. welche Gattung von Gerichten für solche Rechts-
sachen sachlich zuständig ist. Zeigt es sich hierbei beispiels-
weise, daß für den Rechtsstreit die sachliche Zuständigkeit der Amts-
gerichte begründet ist, so kann die Klage keineswegs bei jedem belie-
bigen Amtsgerichte des Deutschen Reiches erhoben werden (denn darin
würde eine unerträgliche Belästigung des Beklagten liegen), sondern
nur vor demjenigen Amtsgerichte, welches vom Gesetz wegen der ört-
lichen Beziehungen des Beklagten oder des streitigen Rechtsverhält-
nisses zu dem Gerichtsbezirk als örtlich zuständig für die
Rechtssache erklärt ist. Ein Gericht muß also, um zur Entscheidung
eines Rechtsstreits berufen zu sein, sowohl sachlich als örtlich für die
Verhandlung und Entscheidung zuständig sein.
1. Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte.
a. Die Amtsgerichte .
(bei ihnen erfolgt die Entscheidung durch einen Richter) sind sachlich
zuständig für vermögensrechtliche Streitigkeiten über Beträge don
nicht mehr als 300 Mark,! wobei die Nebenforderungen (Zinsen,
1 Es ist beabsichtigt, die sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte dem-
nächst wesentlich zu erhöhen.