Das Beweisverfahren 201
Auch ohne vorherige Klagerhebung kann beim Amtsgericht eine
Verhandlung stattfinden und ein Urteil erlassen werden, wenn beide
Parteien an einem ordentlichen Gerichtstage zusammen vor dem
Gericht erscheinen und ihm ihre Sache vortragen. Hiervon wird
namentlich in den Fällen Gebrauch gemacht, in denen ein Schuldner
zugunsten seines Gläubigers ein Anerkenntnisurteil für seine Schuld
gegen sich ergehen lassen will.
Endlich kann auch ein Kläger, bevor er sich entschließt, beim
Amtsgericht oder Landgericht eine förmliche Klage zu erheben, den
Gegner zu einer Sühneverhandlung vor das Amtsgericht laden.
V. Das Beweisverfahren insbesondere.
Eine Tatsache, welche von der Gegenpartei nicht ausdrücklich oder
stillschweigend zugestanden wird, und deren Richtigkeit auch nicht ge-
richtskundig (d. h. allgemein bekannt) ist, muß, wenn sie seitens
des Gerichts berücksichtigt werden soll, von der Partei, welche sie be-
hauptet hat, bewiesen werden. Die Beweislast für eine
Tatsache trifft mit anderen Worten stets denjenigen,
der sie behauptet. Das ist aber nicht immer gerade der
Kläger. Wohl muß dieser die zur Begründung der Klage gehören-
den Behauptungen beweisen. Häufig aber gibt der Beklagte diese
Behauptungen als richtig zu und beantragt gleichwohl Klagabwei-
sung, indem er die „Einrede“ vorträgt, der an sich ursprünglich
begründete Klaganspruch sei infolge anderer Tatsachen weggefallen
oder doch zurzeit nicht gerechtfertigt; alsdann muß der Beklagte die
einredeweise vorgebrachten Tatsachen beweisen. So z. B., wenn er
gegenüber einer Klage auf Rückzahlung eines Darlehens den Emp-
fang zugibt, aber die Einrede der bereits erfolgten Rückzahlung oder
der Stundung geltend macht.
Ueber das Ergebnis der Beweisaufnahme hat das Gericht nach
seiner freien Ueberzeugung zu entscheiden, ohne an bestimmte Beweis-
regeln, wie sie das frühere Recht kannte, gebunden zu sein; es gilt
also der Grundsatz der freien Beweiswürdigung.
Die verschiedenen Beweismittel sind Zeugen, Sachverständige,
richterlicher Augenschein, Urkunden und Eid.
1. Die Zeugen.
Zur Ablegung des Zeugnisses über Wahrnehmungen, welche für
einen Rechtsstreit von Bedeutung sind, ist grundsätzlich jedermann bei
“ Als sog. ordentliche Gerichtstage werden bei den Amts-
gerichten bestimmte Wochentage jeweils dauernd festgesetzt.
508
599
600
601