Full text: Bürgerkunde.

Die besonderen Verfahrensarten 207 
fahren verschiedene Abweichungen auf, welche darauf beruhen, daß 
aus sittlichen Gründen und im öffentlichen Interesse der Bestand der 
Ehe nicht lediglich von der Willkür der Beteiligten abhängen darf. 
Eine Ehescheidungsklage kann in der Regel erst eingereicht werden, 
nachdem ein vor dem Amtsgericht anberaumter Sühneversuch 15 er- 
folglos geblieben ist. Ferner hat das Gericht in solchen Prozessen auch 
die von der Gegenpartei nicht bestrittenen Parteibehauptungen auf 
ihre Wahrheit zu prüfen, und es ist behufs Aufrechterhaltung einer 
Ehe auch befugt, von Amts wegen Beweise zu erheben. Endlich kann 
in Ehesachen auch die Staatsanwaltschaft zur Wahrung des öffent- 
lichen Interesses am Verfahren teilnehmen durch Stellung von An- 
trägen und durch gutachtliche Aeußerung; sie wird daher von allen 
solchen Verhandlungen jeweils benachrichtigt. 
4. Das Entmündigungsverfahren. 
Eine Person kann, wie bereits früher erörtert (s. Nr. 347), 
wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche, wegen Verschwendung 
und wegen Trunksucht auf Antrag vom Amtsgericht entmündigt wer- 
den. Das hierbei einzuhaltende Verfahren ist, obgleich es kein eigent- 
liches Prozeßverfahren darstellt, doch in der Zivilprozeßordnung 
geregelt. 
Der Entmündigungsantrag kann von dem Ehegatten oder dem 
gesetzlichen Vertreter des zu Entmündigenden, in gewissen Fällen auch 
von seinen Verwandten gestellt werden. Bei Geisteskrankheit 
oder Geistesschwäche ist ferner auch die Staatsanwaltschaft, bei Trunk- 
sucht und Verschwendung unter Umständen auch der beteiligte Armen- 
pflegschaftsrat zur Stellung des Antrags berechtigt. 
Nachdem der Entmündigungsantrag gestellt ist, veranstaltet das 
Amtsgericht von Amts wegen alle erforderlichen Ermittelungen, ver- 
nimmt den zu Entmündigenden und erhebt die Beweise, insbesondere 
die nötigen Gutachten von Aerzten. Auch der Staatsanwalt ist be- 
fugt, in dem Verfahren jederzeit durch Stellung von Anträgen mitzu- 
wirken, wenn es sich nicht um eine Entmündigung wegen Verschwen- 
dung oder Trunksucht handelt. 
Das Amtsgericht entscheidet über den Entmündigungsantrag 
durch Beschluß. Wird hierdurch die Entmündigung ausgesprochen, 
so kann der Entmündigte seine etwaigen Einwendungen noch geltend 
machen, indem er beim Landgericht Klage auf Aufhebung des Be- 
schlusses gegen den Staatsanwalt erhebt. Ein ähnliches Verfahren 
findet statt, wenn späterhin wegen Wegfalls des Entmündigungs- 
grundes die Aufhebung der Entmündigung beantragt wird. 
  
  
* Wegen Benachrichtigung der Geistlichkeit s. Nr. 464, Anm. 5. 
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