Full text: Bürgerkunde.

Die verschiedenen Staatsformen 9 
sicht auf das allgemeine Wohl unterordneten, dann wäre allerdings 
denen zuzustimmen, welche die Republik als die idealste Staatsform 
bezeichnen. Aber leider treffen diese Voraussetzungen zumeist nicht 
zu. Vielmehr sehen wir, wie in vielen Republiken das Volk ständig 
durch leidenschaftliche Parteikämpfe erschüttert wird, wie die gesamte 
Staatsverwaltung unter dem häufigen Wechsel oft zufälliger Mehr— 
heiten leidet, wie ferner die gerade herrschende Partei nicht selten 
kein Mittel scheut, um ihre Herrschaft zu erhalten und zum Vorteil 
ihrer Angehörigen auszunutzen, und wie endlich Bestechlichkeit bis in 
die höchsten Staatsstellen hinauf ihren zerstörenden Einfluß übt. 
Gewiß sind auch die Monarchien von Schattenseiten nicht frei, wie es 
ja überhaupt völlig ideale Staatsgebilde auf unserer Erde nicht gibt; 
aber doch läßt eine unbefangene und gerechte Würdigung erkennen, 
daß diejenigen konstitutionellen Monarchien unserer Zeit, an deren 
Spitze Fürsten stehen, welche von dem Gefühl der Verantwortlichkeit 
durchdrungen sind und den berechtigten Forderungen der Zeit Rech- 
nung tragen, im Gegensatz zu der oft sprunghaften und gefährlichen 
Entwicklung mancher Republiken, zumeist eine gesündere und stetigere 
staatliche Fortbildung aufweisen. 
3. Die Volksvertretung insbesondere. 
Die Volksvertretung besteht in den meisten jetzigen Staaten aus 
zwei getrennten Körperschaften (sog. Zweikammersystem). 
Eine einzige, unmittelbar vom Volke gewählte Körperschaft ist näm- 
lich erfahrungsgemäß in ihrer Beschlußfassung nicht selten von vor- 
übergehenden Meinungen und Strömungen und von zufälligen 
Gruppierungen der Parteien zu sehr beeinflußt, als daß ihr allein 
ohne Gefahr für eine ruhige und besonnene staatliche Weiterentwick- 
lung die Gesetzgebung überlassen werden könnte. Man hat daher in 
den meisten Staaten der Kammer der vom Volke gewählten Abgeord- 
neten eine weitere Kammer zur Seite gesetzt, deren Mitglieder teils 
durch ihre Geburtsstellung zur Teilnahme berufen sind, teils durch 
das Staatsoberhaupt ernannt, teils durch einzelne Stände und Kör- 
perschaften gewählt werden; und man nimmt an, daß diese Mit- 
glieder durch ihre Bildung und ihren Besitz eine gewisse Bürgschaft 
für besonnenes und einsichtsvolles Handeln gewähren. 
So besteht in England neben dem aus Abgeordneten des 
Volkes zusammengesetzten Unterhaus das Oberhaus der Lords, in 
Frankreich neben der Kammer der Abgeordneten der Senat, in 
Preußen neben dem Hause der Abgeordneten das Herrenhaus, 
in Bayern neben der Kammer der Abgeordneten die Kammer 
der Reichsräte, in Sachsen, Württemberg, Baden und 
Hessen neben der Zweiten eine Erste Kammer.
	        
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