Full text: Bürgerkunde.

Grundzüge der theoretischen Volkswirtschaftslehre 313 
Da die letztere sich aber nur bei wirtschaftlicher Freiheit entwickeln 
könne, so sei es Aufgabe des Staates, die bisherigen unnatürlichen 
Schranken (Monopole, gewerbliche Gebundenheit durch Zünfte, Pro- 
hibitiv= und Schutzzölle usw.) zu beseitigen. Auch der Verkehr mit 
dem Auslande müsse frei sein, um eine internationale Arbeitsteilung 
durchzuführen, welche für die Gütererzeugung ebenso bedeutsam sei, 
wie die Arbeitsteilung bei der inländischen Produktion. Smith 
betrachtet die Arbeit als die ursprünglichste und (neben Kapital und 
Bodenkraft) hauptsächlichste Quelle des Nationalreichtums; der letz- 
tere bestehe nicht in einem möglichst großen Besitz an Geld, sondern 
in den durch die Arbeit im Zusammenwirken mit Kapital und Boden- 
kraft erzeugten und zur Befriedigung der Bedürfnisse verfügbaren 
Gütern. Produktiv sei also nicht nur die Landwirtschaft, sondern 
ebenso die Industrie, welche die Stoffe durch Bearbeitung brauchbarer 
und wertvoller macht, sowie der Handel, durch welchen die Güter in 
die Hand derjenigen gebracht werden, welche ihrer bedürfen. 
Die Smith'sche Lehre (auch das Smith'sche Industriesystem ge- 
nannt) wurde seither in vielen Beziehungen berichtigt und erweitert. 
Von den neueren Richtungen ist zunächst zu nennen die (vornehmlich 
von den Nationalökonomen Knies und Roscher vertretene) sog. histo- 
rische Schule, welche auf die Notwendigkeit hinwies, nicht bloß 
durch rein philosophische Deduktionen abstrakte Wirtschaftsgesetze zu 
konstruieren, weil es keine absolute Lösung wirtschaftlicher Fragen 
gäbe; vielmehr sei stets auf die wirtschaftsgeschichtliche Entwicklung 
und die konkreten Zustände nach Nationalität, Zeit und Ort Rücksicht 
zu nehmen. Von Bedeutung war ferner die theoretisch sich an Smith 
anlehnende Freihandelsschule (von den Gegnern auch Man- 
chesterschule genannt, weil die englische Freihandelspartei seinerzeit 
von Manchester in England ausging). Unter ihrem Einfluß vollzog 
sich seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Deutschland die gesetz- 
liche Durchführung der Wirtschaftsfreiheit, die freihändlerische Um- 
bildung des Zolltarifs und der Abschluß von Handelsverträgen mit 
mäßigen Vertragszöllen. Im Gegensatze hierzu verlangte die Schutz- 
zollpartei autonome (d. h. nicht vertragsmäßige) Zolltarife mit 
erhöhten Zollsätzen zum Schutze der Industrie und der Landwirtschaft. 
Diese sog. Schutzzölle verhindern zwar nicht die Einfuhr der von 
ihnen betroffenen Gegenstände, aber, indem sie den inländischen Preis 
der eingeführten Waren erhöhen, gestatten sie die Anforderung eines 
höheren Preises für die im Inlande erzeugten gleichartigen Güter 
und ermöglichen auf solche Weise die Erhaltung einer Landwirtschaft, 
welche andernfalls bei den niedrigen Produktionskosten des Auslandes 
nicht mehr konkurrenzfähig bliebe, sowie die Erstarkung einzelner, 
noch in der Entwicklung begriffener Industriezweige. 
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