Grundzüge der theoretischen Volkswirtschaftslehre 315
Unsere heutige Volkswirtschaftspolitik hat
aus allen diesen Lehrmeinungen Nutzen gezogen: Sie vermeidet, sich
durch abstrakte Wirtschaftsprinzipien leiten zu lassen und würdigt die
Bedeutung der wirtschaftsgeschichtlich gewordenen konkreten Zustände.
Sie erkennt ferner grundsätzlich die Freiheit der Gewerbe und des
Handels an und fördert letzteren durch Abschließung von Handelsver-
trägen. Neben den zur Bestreitung der Staatsausgaben nötigen soge-
nannten Finanzzöllen erhebt sie Schutzzölle in gleichfalls mäßigen
Grenzen nur da, wo Landwirtschaft oder Industrie eines solchen
Schutzes noch dringend bedürfen. Sie hat endlich erkannt, daß das
Gehen= und Geschehenlassen keineswegs alle wirtschaftlichen Uebel zu
beseitigen vermag, und betrachtet es als ihre Aufgabe, durch die Ge-
setzgebung die wirtschaftlich Schwachen zu stützen und überhaupt för-
dernd überall da einzugreifen, wo die Kräfte der einzelnen versagen.
C. Die Erzeugung der Güter.
I. Begriff und Arten.
Unter Gütererzeugung oder Produktion versteht man die
Neuschaffung wirtschaftlicher Güter oder die Werterhöhung solcher
Güter durch eine darauf gerichtete menschliche Tätigkeit.
Man unterscheidet zunächst die in der Gewinnung der Natur-
erzeugnisse bestehende Produktion (die sog. Rohstoff= oder Ur-
produktioy) und die in der Bearbeitung dieser Rohstoffe beste-
hende Produktion (die Rohstoffbearbeitung). Sobald die
Rohstoffproduktion und die Rohstoffbearbeitung nicht mehr lediglich
zur Deckung des eigenen Bedarfs, sondern zum Zweck des Verkaufs
stattfindet, bildet sich daneben der Handel aus, welcher gleichfalls
als Produktionszweig zu betrachten ist, weil er den Wert der Waren
erhöht, indem sie durch ihn dahin gelangen, wo sie gebraucht werden.
Den erwähnten drei Produktionsarten entsprechen die folgenden
Gewerbe: a. die Land= und Forstwirtschaft, der Berg-
bau, die Jagdund die Fischerei, welche alle die Urproduktion
zum Gegenstand haben; b. die mit der Rohstoffbearbeitung sich be-
fassende Industrie (auch Gewerbe im engeren Sinne genannt),
welche das Handwerk und die Fabriken umfaßt; c. die auf den Güter-
austausch gerichteten Handels= und Verkehrsgewerbe.
II. Die Faktoren der Gütererzeugung.
Zur Erzeugung der Güter wirken regelmäßig drei Kräfte zusam-
men: die Natur, die menschliche Arbeit und das Ka-
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