Full text: Bürgerkunde.

Grundzüge der theoretischen Volkswirtschaftslehre 317 
über der Handarbeit zeigten. Oder sollte wirklich die Arbeit des 
Physikers und Chemikers, deren unermüdlicher Forschung das wirt- 
schaftliche Leben der Völker die größten Fortschritte verdankt (man 
denke z. B. an die Erfindung der Dampfmaschine und an die elek- 
trische Industrie), unproduktiv sein? Dient etwa die Arbeit des 
Ingenieurs, welcher eine neue Maschine auf dem Papier konstruiert, 
der Produktion weniger, als die des Arbeiters, der nach diesen Plänen 
die einzelnen Teile der Maschine anfertigt und zusammensetzt?“ 
Die Produktivität der Arbeit gewinnt durch das Zusammen= 060 
wirken der Arbeiters: denn viele Arbeiten (z. B. das Heben 
schwerer Lasten) können von einzelnen Menschen allein überhaupt 
nicht bewältigt werden. Noch weit wichtiger ist aber die sog. Ar- 
beitsteilung, unter welcher man die Verteilung einer wirt- 
schaftlichen Tätigkeit auf verschiedene Personen versteht. Schon auf 
der niedrigsten Kulturstufe findet eine solche Arbeitsteilung innerhalb 
der Familie statt, indem der Mann die Arbeiten übernimmt, welche 
größere Körperkraft und größeren Mut erfordern (wie z. B. die Jagd 
und die Fischerei), während der Frau die Bereitung der Nahrung, War- 
tung der Kinder u. dgl. zufällt. Im Lauf der Entwicklung der Kul- 
tur bildet sich aber weiter eine Teilung der Tätigkeit der Bevölkerung 
in die verschiedenen Berufs= und Gewerbszweige aus, ein Entwick- 
lungsgang, der mit der Verfeinerung des Lebens und mit der Ver- 
vielfältigung der Bedürfnisse immer weiter fortschreitet und zugleich 
mit der Verbesserung der Verkehrsmittel zu einer internatio- 
nalen Arbeitsteilung führt (vgl. Nr. 948). Von beson= 970 
derer Bedeutung ist aber die Arbeitsteilung in den Fa- 
briken: sie besteht darin, daß man jede Arbeit, soweit möglich, in 
eine Reihe einfacher Verrichtungen zerlegt, deren jede einzelne beson- 
deren Arbeitern oder auch einer Maschine übertragen wird. Von der 
Bedeutung, den Vorteilen und Nachteilen dieser Art von Arbeits- 
teilung wird späterhin noch näher die Rede sein (s. Nr. 1188). 
* Diese Mißachtung rührt hauptsächlich daher, daß körperlich schwer 
arbeitende Personen geneigt sind, die geistige Arbeit für mühelos zu halten. 
Sehr mit Unrecht; denn das angestrengte, insbesondere das schöpferische 
geistige Schaffen ist nichts anderes als ein unaufhörliches, aufreibendes 
Ringen nach GErkenntnis und Gestaltung. 
Uecbrigens ist dieser Streit über die Produktivität der geistigen Ar- 
beit im Grunde genommen recht müßig. Er beruht meist auf dem Irr- 
tume, als sei jede nicht eigentlich produktive Arbeit wertlos und unnötig. 
Und doch gehört z. B. die Arbeit des Richters, des Arztes, des Lehrers, des 
Geistlichen, des Künstlers größtenteils zu den wirtschaftlich nicht eigentlich 
produktiven und doch wertvollsten und unentbehrlichsten Tätigkeiten. Der 
Mensch lebt eben nicht vom Brot allein. Die Erzeugung wirtschaftlicher 
Güter ist für die Menschheit zwar notwendig, aber nicht das einzige und 
höchste. Es gibt nicht nur wirtschaftliche, sondern auch ideale Lebensgüter.
	        
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