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12 Zur Einführung
Gewohnheiten sowie auf Verträge gegründetes Völkerrecht,
welches den Verkehr der Staaten unter einander in einzelnen Be-
ziehungen regelt.
Nicht immer wird das Recht eines Volkes bewußt von diesem
geschaffen. Besonders in den Anfängen staatlicher Entwicklung
wächst das Recht vielfach unbewußt aus dem Volke heraus; es bilden
sich Uebungen und Gewohnheiten, die bald, weil sie sich als zweck-
mäßig erwiesen haben, stillschweigend von allen Volksgenossen als
bindend anerkannt werden. So entsteht das sog. Gewohnheits-
recht. Doch tritt dieses Gewohnheitsrecht bei fortschreitender Ent-
wicklung der Staaten immer mehr zurück. Das heutige staatliche
Recht beruht fast ausschließlich auf ausdrücklichen, von den zustän-
digen Organen der Staatsgewalt gegebenen und daher allgemein
gültigen Vorschriften, den Gesetzen. Die zur Ausführung und
zum Vollzug der Gesetze erforderlichen Einzelvorschriften, welche nicht
alle in den Gesetzen selbst Aufnahme finden können, sind in den
Verordnungen enthalten. Diese werden von den allgemein
oder durch das Gesetz besonders dazu ermächtigten Organen der Re-
gierung erlassen. Die Gesetze und Verordnungen zusammen machen
also das geschriebene Recht eines Volkes aus.
Das in einem Staate in Wirklichkeit geltende, das sog. posi-
tive Recht, wird häufig in Gegensatz gestellt zu dem natür-
lichen Recht, d. h. dem Rechte, wie es nach der natürlichen
Rechtsanschauung, dem Rechtsgefühl, sein sollte. Der Unterschied
zwischen beiden rührt zuweilen daher, daß die Gesetze dem Volke von
einem Alleinherrscher oder einer im Besitze der Macht befindlichen
Minderheit aufgezwungen wurden; häufiger aber liegt die Ursache
darin, daß seit Entstehung der Gesetze die Lebensverhältnisse sich ver-
ändert haben, und daß daher die veralteten Vorschriften auf die neuen
Verhältnisse nicht mehr passen. Die sich hieraus ergebenden Härten
und Mißstände werden aber um so eher sich mildern und schwinden,
je mehr das gesamte Volk (nicht nur die Rechtsgelehrten) seine Rechts-
ordnung kennt, sich um sie kümmert und an ihrer Fortbildung mit-
arbeitet.
Nach dem Gegenstande des Rechts unterscheidet man zunächst das
bürgerliche und das öffentliche Recht.
a. Das bürgerliche Recht (lauch Privatrecht oder 3 ivil—
recht genannt) regelt die Beziehungen der einzelnen untereinander.
Es behandelt im sog. Sachenrecht den Inhalt, den Erwerb und
7 Häufi gebraucht man übrigens das Wort „Gesetz“ auch in einem
weiteren Slne, in welchem es alle Rechtsnormen, also auch die Verord-
nungen, umfaßt.