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334 Das Wirtschaftsleben
jeder Verkäufer fordert dann trotz des Zwangskurses für den Fall,
daß er mit Papiergeld bezahlt wird, von vornherein entsprechend
mehr für seine Ware. So bleibt der Tauschwert des Papiergeldes
immer mehr hinter dem des Metallgeldes zurück? (Agio oder Au f—
geld des Metallgeldes, Disagio des Papiergeldes). Da ferner
zu Zahlungen in das Ausland nur das Metallgeld verwendet wer-
den kann, so fließt dieses immer mehr in das Ausland ab.s
6. Die Banknoten.
Außer den Reichskassenscheinen sind im Deutschen Reiche Bank-
noten im Umlauf, welche zwar ein Geldersatzmittel bilden, aber doch
nicht zum eigentlichen Papiergeld zu rechnen sind, da sie nicht vom
Staate ausgegeben werden. Diese Banknoten sind gedruckte, un-
verzinsliche, regelmäßig auf 100, 500 oder 1000 Mark° lautende
Schuldscheine, welche von den gesetzlich dazu ermächtigten Banken,
den Noten= oder Zettelbanken, ausgegeben werden, wobei
die ausgebende Bank die Verpflichtung übernimmt, sie jederzeit auf
Verlangen des jeweiligen Inhabers gegen bares Geld einzulösen.
Niemand ist verpflichtet, solche Banknoten im Verkehr in Zahlung zu
nehmen; gleichwohl werden sie, da die Notenbanken als durchaus zah-
lungsfähig bekannt sind, wie bares Geld zum vollen Nennwerte
genommen.
Der Vorteil der Banknoten besteht neben der Annehmlichkkeit,
welche sie bei Zahlung und Versendung größerer Geldsummen bieten,
darin, daß sie eine große Menge Metallgeld für andere Zwecke ver-
fügbar machen. Von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sind sie aber
besonders deshalb, weil durch Ausgabe bereitgehaltener Banknoten
jederzeit eine dem jeweiligen Bedarf entsprechende, schleunige Ver-
* Der russiche Papierrubel z. B. gilt meist nur ungefähr zwei Drittel
soviel als der russische Goldrubel.
Ein Beispiel, wohin eine ungezügelte Ausgabe von Papiergeld führt,
bietet die Assignatenwirtschaft in Frankreich zur Zeit der fran-
zösichen Revolution. Jene Scheine wurden in dem ungeheuren Gesamt-
betrage von 45 Milliarden Franken mit Zwangskurs ausgegeben. Aber ob-
gleich die schwersten Strafen, sogar die Todesstrafe denjenigen angedroht
wurden, welche sich weigerten, die Assignaten zum Nennwerte in Zahlung
zu nehmen, so stiegen doch die Preise, wenn man mit diesen Papieren zahlen
wollte, ins Unermeßliche, so daß man für ein Pfund Butter mehrere
Hundert Livres, für ein Paar Stiefel 1000 Livres in Assignaten zahlte. Ihr
Kurs sank nach und nach auf den 800. Teil ihres Nennwertes, und schließlich
benutzte man sie zum Tapezieren der Zimmer, da man sie anderweitig nicht
mehr verwenden konnte.
* Die Reichsbank ist seit dem Jahre 1906 ermächtigt, auch Banknoten
zu 20 und 50 M. auszugeben.