Geld und Kredit 335
mehrung an umlauffähigen Zahlungsmitteln ermöglicht wird. Wenn
nämlich (z. B. infolge großer Barzahlungen an das Ausland) im In-
lande eine Geldknappheit entsteht, welcher nicht sofort durch große
Neuprägungen abgeholfen werden kann, oder wenn durch politische
Verwicklungen oder durch den Ausbruch einer wirtschaftlichen Krisis
Zahlungsstockungen eintreten, so ist es von größtem Wert, daß die
großen Notenbanken, und zwar in erster Reihe unsere Reichsbank, in
kürzester Frist durch Notenausgabe nötigenfalls mehrere Hundert
Millionen Mark der soliden Geschäftswelt zur Verfügung stellen und
ihr damit über vorübergehende — aber ohne solche Hilfe verhängnis-
volle — Zahlungsschwierigkeiten hinweghelfen können. Sobald der
Geldbedarf wieder zurückgeht, fluten die Banknoten an die Banken
zurück, um dort für künftige Fälle aufbewahrt zu werden. Auf diese
Weise werden die Notenbanken zum Regler des gesamten Geld-
Umlaufs.
Abgesehen von der Reichsbank sind zurzeit im Deutschen Reich
nur noch vier Banken 1 zur Ausgabe von Banknoten berechtigt. Sie
unterstehen staatlicher Aufsicht, und ihr Geschäftsverkehr ist verschie-
denen gesetzlichen Beschränkungen unterworfen. Besonders ist, um
die Einlösung der Noten für alle Fälle zu sichern, bestimmt, daß jede
Notenbank mindestens ein Drittel des Gesamtbetrags ihrer umlau-
fenden Banknoten in Bargeld oder in Reichskassenscheinen und den
Rest in kurzfristigen diskontierten Wechseln als Deckung bereit hal-
ten muß.
Da die Notenausgabe den Betriebsfonds der Banken vergrößert
und ihnen wegen der Unverzinslichkeit der Noten einen finanziellen
Gewinn verschafft, so könnten die Banken geneigt sein, eine zu große
Anzahl von Banknoten auszugeben. Das Bankgesetz schreibt daher
vor, daß alle Notenbanken zusammen (abgesehen von den durch bare
Deckung sicher gestellten Noten) nur eine bestimmte Menge ausgeben
dürfen, und es verteilt („kontingentiert“) diesen Gesamtbetrag des
sog. ungedeckten, steuerfreien Notenumlaufs auf die einzelnen Banken
in festen Beträgen. Will eine Bank mehr durch Bardeckung nicht
gesicherte Noten ausgeben, als diesem ihrem gesetzlichen Anteil 11
(„Kontingent“ genannt) entspricht, so muß sie für diesen überschießen-
den Betrag eine Steuer von 5 Proz. an das Reich entrichten.
½ Es sind das die sächsische Bank in Dresden, die badische
Bank, die bayerische und die württembergische Notenbank. Die
zahlreichen übrigen ehemaligen Notenbanken haben alle im Laufe der Jahre
auf das Recht der Notenausgabe verzichtet.
Dieses steuerfreie, ungedeckte Kontingent der Reichsbank beträgt ge-
genwärtig 472 829 000 M., dasjenige der übrigen Notenbanken zusammen
68 771 000 M. Dagegen beläuft sich der ganze (gedeckte und ungedeckte)
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