Die Börsen 347
das Fallen der Kurse („àalabaisse') dagegen verkauft der Händ-
ler Waren, die er erst anschaffen muß, in der Hoffnung, daß der
Marktpreis am Lieferungstermin niedriger sein werde, so daß er sie
billiger einkaufen kann, als er sie abzugeben zugesagt hat.
Die Spekulation geht aber noch weiter und wird zum reinen
Börsenspiel, wenn bei solchen Termingeschäften die Absicht der Ver-
tragsparteien von vornherein nicht auf eine Lieferung der verkauften
Waren, sondern nur auf die Zahlung der Differenz zwischen dem
vereinbarten Preis und dem zur Zeit des Lieferungstermins gelten-
den Tagespreis gerichtet ist. Die Forderungen aus solchen Diffe-
renzgeschäften sind im allgemeinen nicht einklagbar.
Aber auch zu sonstigen unsauberen Machenschaften, z. B. zu
Kurssteigerungen durch Verbreitung falscher Nachrichten (sog. Preis-
treiberei oder Börsenjobberei) bietet die wirtschaftlich notwendige
und nützliche Tätigkeit der Börse leider mannigfache Gelegenheit.
Diese Erfahrungen haben in Deutschland zur Erlassung eines Bör-
sengesetzes geführt. Darnach bedarf die Errichtung einer Börse
der Genehmigung der Landesregierung; diese führt auch die Aufsicht
über die Börse entweder selbst oder durch die Handelsorgane (Han-
delskammern, kaufmännische Korporationen) und bestellt einen
Staatskommissar zur Ueberwachung des Geschäftsverkehrs.“
Für jede Börse ist mit Genehmigung der Landesregierung eine Bör-
senordnung über Verwaltung der Börse und Regelung des
Börsenverkehrs zu erlassen und ein Ehrengericht zu bilden, wel-
ches die Börsenbesucher wegen mit der Ehre oder dem kaufmännischen
Vertrauen nicht zu vereinbarender Handlungen mit Verweis sowie
mit zeitweiliger oder dauernder Ausschließung von der Börse be-
strafen kann. Ferner sind bei den Börsen, die dem Handel mit Ge-
treide oder Erzeugnissen der Getreidemüllerei dienen, durch die Lan-
desregierungen Kommissionen zur Verhängung von Ordnungs-
strafen wegen Abschlusses verbotener Terminsgeschäfte (s. Nr. 1056)
in diesen Sachen zu bilden. Sie bestehen aus einem Reichs= oder
Staatsbeamten als Vorsitzenden und je zwei Vertretern des Handels
und der Landwirtschaft. Gegen ihre Entscheidungen ist Beru-
fung an die vom Bundesrat bestellte Berufungskommission
zulässig.
Zur Vermittelung der Geschäfte sind an den Börsen beeidigte
Makler mit Beamtenstellung tätig, welche über jedes Geschäft eine
.Dem Bundesrat steht in den seiner Beschlußfassung überwiesenen
Börsenangelegenheiten als begutachtender sachverständiger Beirat ein
Börsenausschuß zur Seite, dessen Mitglieder zur Hälfte von den Bör-
senorganen vorgeschlagen und zur Hälfte aus Vertretern des Handels und
der Industrie vom Bundesrat berufen werden.
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