Die Arbeiterversicherung 355
1. Die Unfallversicherung erstreckt sich auf alle
Arbeiter und alle (mit nicht mehr als jährlich 3000 M. angestellten)
Betriebsbeamten, Werkmeister und Techniker, welche beschäftigt sind
in Fabriken, Transportunternehmungen und sonstigen Gewerbe-
betrieben aller Art, ferner in der Land= und Forstwirtschaft, bei
Bauten, in der Schiffahrt usw. Die Versicherung kann aber auch aus-
gedehnt werden auf selbständige kleinere Betriebsunternehmer, auf
Hausgewerbetreibende (s. Nr. 1187) und auf höher besoldete Betriebs-
beamte. Eine solche Ausdehnung ist durch ein bayerisches Landes-
gesetz erfolgt auf alle Unternehmer land= und forstwirtschaftlicher
Betriebe; sämtliche bayerischen Landwirte sind daher in die Unfall-
versicherung eingeschlossen.“
Unter den gleichen Voraussetzungen wie für freie Arbeiter tritt
nach einem besonderen Reichsgesetz auf Kosten des Staats auch eine
Unfallfürsorge für Gefangene ein. Gefangene, welche
infolge eines bei der Gefangenenarbeit erlittenen Unfalls in ihrer
Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt sind, erhalten demgemäß nach ihrer
Entlassung eine Geldrente, welche jedoch niedriger bemessen ist, als
die Unfallrente der freien Arbeiter.
Reichsbeamte wie bayerische Staatsbeamte,
welche in einem reichsgesetzlich der Unfallversicherung unterliegenden
Betriebe beschäftigt sind, beziehen auf Grund besonderer gesetzlicher
Bestimmungen bei Betriebsunfällen gleichfalls Entschädigungen,
welche nach gleichen Grundsätzen, wie die Unfallentschädigungen der
Arbeiter, bemessen sind. Bayerische Staatsbeamte werden ebenso
behandelt, wenn sie überhaupt in Ausübung ihres Dienstes einen
Unfall erleiden, auch wenn der Betrieb, in dem sie den Unfall erleiden,
der Unfallversicherung nicht unterliegt.
2. Die Kosten der Unfallversicherung werden nicht
von den Versicherten, sondern ausschließlich von den Arbeitgebern
getragen. Zu diesem Zwecke sind die Unternehmer gleicher oder ähn-
licher Betriebe zu Berufsgenossenschaften vereinigt. So
gibt es z. B. eine „Ziegeleiberufsgenossenschaft“, eine „süddeutsche
Textilberufsgenossenschaft“ usw. Diese Berufsgenossenschaften werden
für bestimmte Bezirke gebildet; ihr gehören kraft Gesetzes alle in
ihrem Bezirk gelegenen Betriebe der betreffenden Gattung an. Sie
besitzen eigene Rechtspersönlichkeit und verwalten ihre Angelegenheiten
selbständig nach Maßgabe des Genossenschaftsstatuts,
welches von der Genossenschaftsversammlung (d. h. der
* Im Jahre 1902 genossen im Deutschen Reiche rund 19 Millionen
Personen die Vorteile der Unfallversicherung. In diesem Jahre allein wur-
den 108 Millionen Mark an Entschädigungen bei 711.000 Entschädigungs-
fällen ausbezahlt.
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