Full text: Bürgerkunde.

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16 Das Staatsrecht des Reichs 
Kämpfe nicht, weil allen Einheitsplänen das Streben der Einzel- 
staaten nach ungeschmälerter Aufrechterhaltung der neu erworbenen 
Souveränität entgegentrat. Es bildete sich der Deutsche Bund 
(von 1815 bis 1866), eine völkerrechtliche Vereinigung ohne starke 
Zentralgewalt, dessen Organisation ihn von vornherein zur Ohn- 
macht verurteilte. Eine wenigstens wirtschaftliche Einigung Deutsch- 
lands brachte seit 1833 der Deutsche Zollverein (s. Nr. 1415), 
dem die meisten deutschen Staaten (jedoch nicht Oesterreich) ange- 
hörten. Der nach der Revolution des Jahres 1848 unternommene 
Versuch einer Neugründung des Reichs blieb erfolglos, da der von 
der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt a. M. zum erb- 
lichen Kaiser erwählte König von Preußen die Annahme der deutschen 
Kaiserwürde ablehnte. Durch den Krieg von 1866 wurde endlich 
zwischen Preußen und Oesterreich die Frage der künftigen Vorherr- 
schaft in Deutschland zugunsten Preußens entschieden und damit der 
Weg für einen politisch engeren Zusammenschluß der übrigen deut- 
schen Staaten frei gemacht. Das durch Einverleibung eroberter 
Länder mächtig erstarkte Preußen vereinigte sich zunächst mit den 
übrigen nördlich des Mains gelegenen 21 norddeutschen Staaten zu 
dem Norddeutschen Bund, mit dem die süddeutschen Staaten 
einen Zollvereinigungsvertrag, sowie Schutz= und Trutzbündnisse ab- 
schlossen. So traf die französische Kriegserklärung im Jahre 1870 
ein Volk, bereit, gemeinsam für seine Freiheit und Ehre zu kämpfen; 
und auf Frankreichs Schlachtfeldern erwuchs diesem Volke, durch 
Blut und Eisen geeint, das lang ersehnte neue Deutsche Reich. 
Die deutsche Kaiserkrone wurde von den vereinten deutschen Fürsten 
und freien Städten dem siegreichen König Wilhelm von Preußen 
angetragen und von diesem angenommen. Der 18. Januar 1871, an 
dem im Spiegelsaale des Schlosses zu Versailles die feierliche Prokla- 
mation der Herstellung der Kaiserwürde stattfand, gilt als der Tag 
der Wiedergeburt des Deutschen Reiches.“ 
OB. Die rechtliche Natur des Reichs. 
1. Rechtlich betrachtet ist das Deutsche Reich der Rechtsnachfolger 
des Norddeutschen Bundes geworden dadurch, daß die vier süddeut- 
In der Proklamation erklärte König Wilhelm, daß er die kaiserliche 
Würde übernehme, um in deutscher Treue die Rechte des Reiches und sei- 
ner Glieder zu schützen, Frieden zu wahren, die Unabhängigkeit! Deutsch- 
lands zu stützen und die Kraft des Volkes zu stärken. Den Trägern der 
Kaiserkrone aber (so schließt die Proklamation) „wolle Gott verleihen, alle- 
zeit Mehrer des Deutschen Reichs zu sein, nicht in kriegerischen Eroberun- 
gen, sondern in den Werken des Friedens, auf dem Gebiete nationaler 
Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung“.
	        
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