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394 Das Wirtschaftsleben
Innung in das freie Belieben jedes einzelnen stellte. Späterhin hat
die Gesetzgebung jedoch, um das Handwerk in seinem Existenzkampf
gegen die Großindustrie zu stärken, nicht nur die Rechte und Auf-
gaben der Innungen erweitert, sondern auch zur Errleichte-
rung der Bildung von Innungen den Innungszwang unter
gewissen Voraussetzungen wieder eingeführt. Es gibt daher neben
den freien Innungen nunmebhr auch sog. Zwangsinnun-
gen, denen alle innerhalb eines Bezirks ansässigen, das gleiche Hand-
werk ausübenden Gewerbetreibenden angehören müssen. Eine solche
Zwangsinnung kann auf Antrag Beteiligter von der Verwaltungs-
behörde gebildet werden, wenn die Mehrheit der beteiligten Hand-
werker sich dafür entscheidet. Sie haben mit gewissen Einschränkungen
die gleichen Aufgaben und Befugnisse wie eine freie Innung; insbe-
sondere dürfen sie keine gemeinschaftlichen Betriebe errichten und ihre
Mitglieder in der Preisfestsetzung für Waren und Leistungen oder
in der Annahme von Kunden nicht beschränken.
Die Gemeindebehörden und die staatlichen Verwaltungsbehörden
beaufsichtigen die Innungen und sind unter Umständen auch zu deren
Schließung berechtigt.
Alle oder mehrere derselben Aufsichtsbehörde unterstehenden In-
nungen können zur Vertretung ihrer gemeinsamen Interessen einen
Innungsausschuß bilden. Innungen, welche nicht derselben
Aufsichtsbehörde unterstehen, können sich zu Innungsverbän-
den zusammenschließen.
2. Die Handwerkskammern.
Das gesetzliche Organ zur Vertretung der Interessen des Hand-
werkerstandes sind die Handwerkskammern, deren es in Bayern acht,
je eine für jeden Regierungsbezirk, gibt. Ihre Mitglieder werden
jeweils auf sechs Jahre von den Innungen, Gewerbevereinen und
sonstigen Handwerkervereinigungen gewählt. Bei jeder Kammer ist
(wie bei den Innungen) ein Gesellenausschuß zur Vertretung
der besonderen Interessen der Gesellen gebildet. An den Sitzungen
der Kammer und ihres Vorstandes nimmt ein Kommissar der Staats-
regierung teil.
Die Handwerkskammern sollen in allen wichtigen, die Interessen
des Handwerks berührenden Angelegenheiten gehört werden. Ihnen
liegt ferner hauptsächlich ob die nähere Regelung des Lehrlingswesens,
die Erstattung von Mitteilungen und Gutachten an die Staats= und
Gemeindebehörden über Fragen des Handwerks sowie die Bildung
von Prüfungsausschüssen für die Gesellenprüfung.