Das Gewerbewesen 397
(s. Nr. 577), welche zur Beilegung der Ausstände von beiden Seiten
als sog. Einigungsämter angerufen werden können, eine im-
mer segensreichere Tätigkeit entfalten. In einzelnen Gewerben ferner
(z. B. im Buchdruckergewerbe) haben sich die sämtlichen Arbeiter und
Unternehmer bereits zu sog. Tarifgemeinschaften vereinigt,
in denen Arbeitslöhne und Arbeitszeit genau geregelt sind. Mit der
fortschreitenden Ausbildung der Gewerkschaften werden voraussichtlich
solche Gemeinschaften mehr und mehr gebildet und damit die Streiks
hoffentlich immer seltener werden.
2. Die Verhältnisse der gewerblichen Arbeiter
im allgemeinen.
Das Verhältnis zwischen den Arbeitern und Arbeitgebern ist im
allgemeinen durch freie Uebereinkunft geregelt. Der Arbeits-
vertrag kann, wenn nichts anderes vereinbart ist, bei Gesellen und
Gehilfen mit vierzehntägiger Frist von jedem Teil aufgekündigt
werden. Bei den sog. Betriebsbeamten (Werkmeistern, Technikern,
Chemikern, Zeichnern u. dgl.) kann die Kündigung nur mit sechs-
wöchiger Frist und nur auf Schluß des Kalendervierteljahres erfolgen.
Gewisse wichtige Gründe berechtigen jedoch zur sofortigen Lösung
jedes Arbeitsverhältnisses. Unberechtigter Austritt und unberechtigte
Entlassung verpflichten den vertragsbrüchigen Teil zur Entschä-
digung.1
Die Lohnzahlung muß bar geschehen. Verboten ist die
Zahlung in Waren (das sog. „Trucksystem“, von dem
englischen Worte truck = Tausch), da bei dieser Zahlungsart dem
Arbeiter Waren, welche er nicht brauchen kann, zu hohem Preise auf-
gedrängt werden könnten. Die Arbeitgeber dürfen ferner ihren
Arbeitern keine Waren auf Kredit verkaufen; doch ist ihnen die
Verabfolgung von Lebensmitteln, Wohnung, Feuerung u. dgl., sowie
von Werkzeugen und Arbeitsstoffen zum Selbstkostenpreis unter An-
rechnung auf den Lohn gestattet. Der noch nicht verdiente oder noch
nicht fällige Arbeitslohn darf in der Regel nicht gepfändet werden,
soweit er nicht für das Jahr die Summe von 1500 M. übersteigt.
Minderjährige (s. Nr. 344) Personen dürfen als Arbeiter nur
beschäftigt werden, wenn sie mit einem polizeilich ausgefertigten
Arbeitsbuch versehen sind. Der Arbeitgeber bewahrt es auf und
bescheinigt darin die Art und Dauer der Beschäftigung. Die Aus-
stellung des Arbeitsbuchs geschieht regelmäßig nur auf Antrag oder
mit Zustimmung des Vaters oder Vormunds; an diese wird es auch
Die gewerblichen Streitigkeiten zwischen den Arbeitgebern und ihren
Arbeitern oder zwischen den Arbeitern desselben Arbeitgebers werden von
den Gewerbegerichten entschieden. Hierüber siehe Nr. 577.
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