Die Staatsschulden im allgemeinen 455
3. Die Verzinsung der Staatsschulden.
Abgesehen von den durch Ausgabe von Papiergeld aufgenom-
menen Schulden sind die Staatsschulden regelmäßig verzinslich. Die
Höhe des Zinses richtet sich nach dem Vertrauen (Kredit), welches der
Staat genießt, sowie nach dem Umfang der Kapitalien, welche beim
Publikum zur Anlegung in Staatspapieren verfügbar sind. Befin—
det sich z. B. die Industrie in einem Lande gerade in starkem Auf—
schwunge, so beansprucht sie den größten Teil der verfügbaren Kapi-
talien; die Staaten müssen daher während einer solchen Lage des
Geldmarktes bei der Aufnahme einer Anleihe entweder eine höhere
Verzinsung festsetzen oder die Papiere zu einem niedrigeren Kurse
( Börsenpreis) ausgeben. Beides hat die gleiche Wirkung; denn
wer z. B. ein vierprozentiges Wertpapier zum Kurse von 95 (also
unter pari) kauft, dessen Anlagekapital verzinst sich zu 4,21 Prozent;
kauft er das Papier dagegen zum Kurse von 105 (also über pari),
so beträgt die Verzinsung des angelegten Kapitals nur etwa 3,81
Prozent.
Bei den sog. Lotterie= oder Prämienanleihen treten
ganz oder teilweise an Stelle der Zinsen Lotteriegewinne (sog. Prä-
mien). Bei diesen Anleihen wird jeweils durch das Los festgestellt,
welche Schuldverschreibungen zurzeit einzulösen sind, sowie ob und
welche Gewinne auf sie entfallen. Solche Inhaberpapiere mit Prä-
mien dürfen in Deutschland nur als Anleihen des Reichs oder
eines Bundesstaats und nur auf Grund eines Reichsgesetzes aus-
gegeben werden.
Die Zahlung der Zinsen der Staatspapiere (wie auch der von
Gemeinden, Aktiengesellschaften usw. ausgegebenen Wertpapiere)
geschieht meistens halbjährlich, in der Regel auf die Weise, daß von
dem Kuponsbogen, welcher der Obligation beigegeben ist, jeweils
der fällige Kupon (LZinsschein) abgetrennt und von einer öffent-
lichen Kasse eingelöst wird. Sind alle Zinsscheine aufgebraucht, so
wird gegen Rückgabe des am Ende des Bogens befindlichen Erneue-
rungsscheins (des sog. Talons) ein neuer Zinsbogen ausgehändigt.
Bei dauerndem Sinken des allgemeinen Zinsfußes ist es für
einen Staat, dessen Papiere auf pari oder darüber stehen, zweckmäßig,
eine Herabsetzung seines Zinsfußes eintreten zu lassen. Solche
Konvertierungen oder Korversionen (d. h. Schuldumwand-
lungen) werden bewerkstelligt, indem der Staat die Schuldverschrei-
bungen kündigt und ihren Inhabern freistellt, ob sie das
Kapital zurückempfangen oder niedriger verzinsliche Obligationen an
Stelle der bisherigen annehmen wollen. Für den letzteren Fall zahlt
der Staat beim Umtausch häufig noch eine besondere sog. Konver-
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