Full text: Bürgerkunde.

Der Reichshaushalt 457 
gaben, die in den regelmäßigen Einnahmen nicht Deckung finden und 
daher aus Anleihen beglichen werden müssen (siehe Nr. 1381). Das 
Ziel, nur Ausgaben für werbende Anlagen und für außerordent— 
liche Zwecke in den außerordentlichen Etat aufzunehmen, ist im Reich 
noch nicht erreicht worden. 
Ueber die Verwendung aller Einnahmen ist durch den Reichs- 
kanzler dem Bundesrat und Reichstag zur Erteilung der Entlastung 
(sog. Decharge) alljährlich Rechnung zu legen. Die Vorprüfung und 
Ueberwachung der voranschlagsmäßigen Verwendung wird besorgt 
durch die preußische Oberrechnungskammer, welche in dieser Eigen- 
schaft die Benennung „Rechnungshof des Deutschen 
Reiches“ führt und eine besondere, unabhängige Reichsbehörde 
bildet. 
Zur Bestreitung der Ausgaben des Reichs dienen 
zunächst die Einnahmen aus seinen Verwaltungen, insbesondere aus 
dem Eisenbahn-, Post= und Telegraphenwesen, sodann die Zölle und 
Reichssteuern, weiterhin, soweit diese Einnahmen nicht ausreichen, 
die sogenannten Matrikularbeiträge, die die Bundesstaaten 
nach Maßgabe ihrer Bevölkerungszahl aufzubringen haben. 
Die Matrikularbeiträge werden in der Höhe, die zur Deckung 
des Fehlbetrags nötig ist, vom Reichskanzler ausgeschrieben; in der 
Bewilligung von Ausgaben durch den Reichstag liegt somit zugleich 
die Bewilligung der Matrikularbeiträge in der zum Ausgleich der 
Einnahmen mit den Ausgaben erforderlichen Höhe. Damit nun nicht 
der Fall eintritt, daß durch die Einnahmen aus den Verwaltungen 
des Reichs und aus den gesetzlich festgelegten Zöllen und Reichssteuern 
die Ausgaben gedeckt und so Matrikularbeiträge überflüssig werden, 
ist auf Betreiben des Reichstags (sogenannte Frankensteinsche 
Klausel) bestimmt worden, daß ein Teil der Branntweinsteuer 
(siehe Nr. 1401) und gewisser Reichsstempelabgaben (siehe Nr. 1409) 
zwar für Rechnung des Reichs vereinnahmt, aber vom Reich wieder 
*: Sowohl die Matrikularbeiträge der Bundesstaaten als die Steuer- 
überweisungen des Reichs an die letzteren sind in den einzelnen Etatsjahren 
sehr verschieden hoch, je nach dem jährlichen Ertrag der Zölle und Steuern 
des Reichs und nach dem Bedarf des Reichshaushalts. Diese Schwankungen 
aber verursachen im Haushalt der Bundesstaaten erhebliche Störungen, da 
in diesen der gesamte Voranschlag gleichfalls im voraus (in manchen 
Staaten auf zwei Jahre) festgestellt werden muß. Um diesem Mißstande, 
soweit möglich, abzuhelfen, hat ein Reichsgesetz vom Jahre 1906 bestimmt, 
daß künftighin die Matrikularbeiträge, insoweit sie die Steuerüberweisungen 
um mehr als 40 Pf. auf den Kopf der Bevölkerung übersteigen, erst im 
drittfolgenden Jahre an das Reich zu entrichten sind. Die zurzeit im Reichs- 
tag behandelte Reichsfinanzreform strebt unter anderm an, die 
Ueberweisungen auf einen bestimmten Betrag zu fixieren und die Höhe 
der Matrikularbeiträge möglichst auf eine Reihe von Jahren festzulegen. 
1391 
1392
	        
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