Full text: Bürgerkunde.

Der Bundesrat 27 
a. Vor allem ist der Bundesrat eine gesetz gebende Kör- 
perschaft; denn die Reichsgesetze kommen, wie bereits gezeigt, 
zustande durch übereinstimmende Beschlüsse des Bundesrats und des 
Reichstags. 
Wird hinsichtlich eines bestimmten Gegenstandes von der Reichs- 
regierung aus eigenem Antrieb oder auf eine Anregung des Reichs- 
tags die Erlassung eines Gesetzes ins Auge gefaßt, so veranstaltet die 
Regierung nötigenfalls zunächst noch amtliche Erhebungen (eine sog. 
Enqueto) über die in Betracht kommenden Verhältnisse. Sodann 
wird in dem obersten Reichsamt, zu dessen Geschäftsgebiet (Ressort) 
der Gegenstand gehört, ein Gesetzesentwurf ausgearbeitet oder es 
wird zum Zweck dieser Ausarbeitung eine Kommission von 
Männern eingesetzt, welche durch ihren Beruf auf dem fraglichen Ge- 
biet eine besonders gründliche Sachkunde besitzen. Wichtigere Ge- 
setzesentwürfe werden ferner, bevor sich der Bundesrat über sie 
schlüssig macht, in der Regel noch den Regierungen der Einzelstaaten 
zur Begutachtung mitgeteilt. Hat endlich der Bundesrat einem Ge- 
setzesentwurf beigestimmt, so wird dieser Entwurf mit einer Begrün- 
dung (in wichtigen Sachen mit einer ausführlichen sog. Denk- 
schrift) im Namen des Kaisers durch den Reichskanzler dem Reichs- 
tag vorgelegt und dort durch Mitglieder des Bundesrats oder durch 
besondere Kommissäre vertreten. Uebrigens hat jedes Mitglied des 
Bundesrats das Recht, im Reichstage zu erscheinen und muß daselbst 
auf Verlangen jederzeit gehört werden, um die Ansichten seiner Regie- 
rung zu vertreten, und zwar auch dann, wenn diese Ansichten nicht 
die Zustimmung der Mehrheit des Bundesrats gefunden haben. 
b. Der Bundesrat hat aber weiter auch für die Ausführung 
der Reichsgesetze Sorge zu tragen; ihm liegt also die sog. 
Exekutive (s. Nr. 11) ob, soweit sie nicht dem Kaiser ausdrücklich über- 
tragen ist. Hiernach hat in erster Reihe der Bundesrat die Aus- 
führungs= und die Vollzugsverordnungen zu den Reichsgesetzen zu 
erlassen und die zur Ausführung erforderlichen Dienststellen und 
Einrichtungen zu schaffen. Er hat auch die Verwendung der Reichs- 
einnahmen zu kontrollieren, den Wirtschaftsplan aufzustellen, bei Auf- 
nahme von Anleihen mitzuwirken u. dgl. 
c. Endlich übt der Bundesrat auch eine Gerichtsbarkeit 
aus: Er hat Streitigkeiten nicht privatrechtlicher Natur:s 
zwischen verschiedenen Bundesstaaten auf Anrufen 
eines Teils zu erledigen. Sodann ist er berufen, Verfassungs- 
streitigkeiten, welche in einem Bundesstaat zwischen Volksver- 
* Privbatrechtliche Streitigkeiten zwischen den 
Bundesstaaten werden von den ordentlichen Gerichten entschieden. 
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