Full text: Bürgerkunde.

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36 Das Staatsrecht des Reichs 
beratungen und nach erfolgter Abstimmung namens der Kommission 
dem Plenum Bericht erstattet. Bei der nun daselbst folgenden zwei- 
ten Lesung werden die einzelnen Abschnitte der Vorlage beson- 
ders behandelt (sog. Spezialdebatte); es können hierbei Ab- 
änderungsanträge gestellt werden, über welche jedoch nur dann ab- 
gestimmt wird, wenn sie von mindestens 15 Mitgliedern unterstützt 
werden. Werden bei der hierauf folgenden Abstimmung über das 
Gesetz alle Paragraphen und Anträge abgelehnt, so findet überhaupt 
keine weitere Lesung mehr statt. Bei der dritten Lesung 
endlich bedürfen Abänderungsanträge der Unterstützung von minde- 
stens 30 Mitgliedern, um zur Abstimmung zu gelangen. Am Schlusse“ 
wird mit Ja oder Nein über Annahme oder Ablehnung des ganzen- 
Gesetzentwurfes in der Gestalt abgestimmt, die er durch die einzelnen 
bis dahin angenommenen Abänderungsbeschlüsse erhalten hat. 
d. Zur Prüfung der bei ihm einlaufenden Petitionen (s. Nr. 79) 
hat der Reichstag eine ständige Petitionskommission ein- 
gesetzt. Im Plenum des Reichstags werden die Petitionen nur er- 
örtert, wenn diese Kommission oder mindestens 15 Abgeordnete es 
beantragen. Der Reichstag kann alsdann beschließen, die Petition 
dem Bundesrat „zur Kenntnisnahme“ oder „zur Erwägung“ oder 
„zur Berücksichtigung“ zu überweisen, je nach dem Wert, den er dem 
Inhalt beimißt; er kann aber auch, wenn er die Petition für unbe- 
gründet oder unangebracht hält, beschließen, über sie „zur Tages- 
ordnung überzugehen“, d. h. sie überhaupt nicht weiter zu berücksich- 
tigen. Das gleiche kann mit Anträgen geschehen, die von den Mit- 
gliedern des Hauses gestellt werden.“ 
Interpellationen, d. h. Anfragen an die Regierung 
(s. Nr. 79), welche von mindestens 30 Mitgliedern unterzeichnet sein 
müssen, werden zunächst durch den Präsidenten dem Reichskanzler 
mitgeteilt. Wird die Anfrage vom Bundesrat beantwortet, wozu 
dieser jedoch nicht verpflichtet ist, so kann die Antwort auf Antrag 
von mindestens 50 Abgeordneten im Reichstag einer Besprechung 
unterzogen werden. 
e. Alle Beschlüsse des Reichstags können nur mit absoluter 
Stimmenmehrheit gefaßt werden. Zur Gültigkeit der Beschluß- 
fassung ist aber weiter erforderlich, daß die Mehrheit der gesetzlichen 
Anzahl der Mitglieder (also mindestens 199) anwesend ist. Diese 
Mehrheit wird als vorhanden angenommen, so lange sie nicht von 
einem Mitgliede bezweifelt wird. 
* Die Petitionen, sowie die von Mitgliedern des Hauses gestellten An- 
träge werden regelmäßig Mittwochs beraten, dem sog. Schwerins- 
tag, so genannt nach dem Grafen v. Schwerin, der im preußischen Abge- 
ordnetenhause diese Uebung seinerzeit einführte.
	        
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