Full text: Bürgerkunde.

Reichskanzler, Reichsbehörden, Reichsbeamte 37 
Die Abstimmung selbst geschieht in der Regel durch Auf- 
stehen und Sitzenbleiben"; auf Antrag von mindestens 50 Mit- 
gliedern muß jedoch die sehr zeitraubende namentliche Abstim- 
mung vorgenommen werden. 
f. Der Kaiser kann den Reichstag vertagen, jedoch auf län- 
ger als 30 Tage und mehr als einmal in der Session nur mit Zu- 
stimmung des Reichstags. Er beendigt ferner die Session durch 
Schließung des Reichstags. Endlich kann der Bundesrat, wenn 
er in einer wichtigen Frage mit der Auffassung des Reichstags 
nicht einverstanden ist, mit Zustimmung des Kaisers den Reichstag 
auflösen und durch Anordnung von Neuwahlen, welche spätestens 
binnen 60 Tagen stattfinden müssen, an die Wähler appellieren. 
Diese Neuwahlen bedeuten alsdann eine Art von Volksabstimmung 
über die Frage, welche zur Auflösung geführt hat; denn naturgemäß 
bildet diese die Wahlparole, und jeder Wähler gibt seine Stimme 
nur einem Abgeordneten, von dem er annimmt, daß er seinerzeit 
in dieser Frage im Sinne des Wählenden stimmen werde. 
Die Schließung und die Auflösung des Reichstages haben die 
Wirkung, daß durch sie jede Tätigkeit des Reichstags, und zwar auch 
diejenige der Kommissionen beendigt wird. Der neu zusammen- 
tretende Reichstag kann die Geschäfte nicht wieder da aufnehmen, wo 
der alte sie verlassen hat; vielmehr müssen alle Gesetzesentwürfe, Peti- 
tionen und Anträge, wenn auf ihnen bestanden werden will, aufs 
neue eingebracht werden. 
I. Der Reichskanzler und die Reichsbehörden. 
Die Reichsbeamten. 
1. Der Reichskanzler. 
Der vom Kaiser ernannte:n Reichskanzler ist der höchste 
Beamte des Reichs. Alle kaiserlichen Anordnungen und Verfügun- 
gen bedürfen zu ihrer Gültigkeit seiner Mitunterschrift (Gegen- 
" Ist das Ergebnis zweifelhaft, so wird eine Gegenprobe gemacht, bei 
der die Mitglieder, welche zuerst aufstanden, nunmehr sitzen bleiben. Wird 
auch auf diesem Wege der Zweifel nicht gehoben, so verlassen die Abgeord- 
neten den Saal und treten durch zwei verschiedene Türen wieder ein, je 
nachdem sie für Ja oder Nein stimmen wollen. Beim Eintritt werden die 
Stimmen von den Schriftführern gezählt. Diese Art der Abstimmung wird 
humoristisch als „Hammelsprung“ bezeichnet. 
*Bei der Ernennung und Entlassung des Reichskanzlers ist der Kaiser 
unabhängig von der Mehrheit des Reichstags; wir haben, wie bereits früher 
erwähnt, ebensowenig im Reich wie in den Einzelstaaten eine sog. parla- 
mentarische Regierung (s. Nr. 15). 
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