Die Reichsangehörigen 45
Dienstpflicht nachsucht; ebenso bedarf die Entlassung von Angehö—
rigen des stehenden Heeres und des Beurlaubtenstandes (s. Nr. 1348)
der Zustimmung der militärischen Behörden.
Endlich können Deutsche, welche im Fall eines Kriegs oder einer
Kriegsgefahr dem vom Bundesrat allgemein erlassenen Aufruf zur
Rückkehr in das Vaterland keine Folge leisten oder in einem fremden
Staatsdienste ungeachtet einer ausdrücklichen Aufforderung zum Aus-
tritt verbleiben, durch Ausspruch der Landesregierung
ihrer Staatsangehörigkeit verlustig erklärt
werden.
3. Rechte und Pflichten der Staatsangehörigen.
Unter den Rechten der Staatsbürger steht voran der Anspruch
auf Rechtsschutz und auf Teilnahme an allen sonstigen, dem allge-
meinen Wohle dienenden staatlichen Einrichtungen, sowie das Wahl-
und Wählbarkeitsrecht zu den gesetzgebenden und sonstigen politischen
Körperschaften.
Um die Freiheit der Bürger vor Uebergriffen der Staats-
gewalt zu schützen, versuchte man entsprechend den in der französischen
Revolution vom Jahre 1789 festgestellten sog. Menschenrechten,
bereits in der (nicht zur Durchführung gelangten) Frankfurter Bun-
desverfassung vom 28. März 1849 die „Grundrechte des
deutschen Volkes“" namhaft zu machen. Die deutsche Reichs-
verfassung enthält hierüber nichts, aber die meisten Verfassungs-
urkunden der Einzelstaaten behandeln diesen Gegenstand, indem sie
die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, den Schutz der persönlichen
Freiheit, die Unverletzlichkeit des Eigentums und der Wohnung, die
Freiheit des religiösen Bekenntnisses usw. verbürgen. Hiervon wie
von der Freiheit der Eheschließung, der Gewerbefreiheit, der Preß-
freiheit und der Vereins= und Versammlungsfreiheit wird später
noch zu sprechen sein.
Ein wichtiges, in einem besonderen Reichsgesetz behandeltes
staatsbürgerliches Recht ist ferner die sog. Freizügigkeit,
d. h. das Recht jedes Deutschen, sich überall im Deutschen Reich auf-
zuhalten und niederzulassen, Grundeigentum zu erwerben und ein
Gewerbe zu betreiben.55 Reichsangehörige können aus dem Reichs-
gebiet weder ausgewiesen noch an das Ausland ausgeliefert werden,
selbst wenn sie daselbst strafbare Handlungen begangen haben.
* Bestrafte Personen können jedoch gewissen Aufenthaltsbeschränkungen
unterworfen werden. Eine weitere Ausnahme bildet ferner das Recht der
Gemeinden, unbemittelten Personen unter gewissen Voraussetzungen mit
Rücksicht auf ihre Unterstützungspflicht die Niederlassung zu verweigern.
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