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60 Das baherische Staatsrecht
Verhandlungen der Direktion der Staatsschuldenverwaltung Kennt-
nis zu nehmen und die Einhaltung der festgesetzten Normen zu über-
wachen. Sie setzen ihre Funktionen auch nach Beendigung des Land-
tags fort und haben ihre Tätigkeit auch nach Ablauf der Wahlperiode
und bei Auflösung des Landtags bis zur Ernennung von Nachfolgern
auszuüben. In dringenden Fällen sind die Kommissäre auch berech-
tigt, an Stelle des Landtags zur Aufnahme von Anlehen vorläufig
die Zustimmung zu geben. Sie haben über ihre Tätigkeit den Kam-
mern Bericht zu erstatten.
2. Die Zusammensetzung der Kammer der Reichsräte.
Die Kammer der Reichsräte setzt sich zusam-
men aus:
a. den volljährigen (achtzehn Jahre alten) Prinzen des König-
lichen Hauses,
. den Kronbeamten des Reichs (s. Nr. 150),
. den beiden Erzbischöfen,
f-. den Häuptern der ehemals reichsständischen (standesherr-
lichen) fürstlichen und gräflichen Familien,
c. einem vom König ernannten Bischof und dem Präsidenten des
Oberkonsistoriums,
f. den erblichen 23 und den lebenslänglichen Reichsräten, die vom
König ernannt werden. Die Zahl der lebenslänglichen
Reichsräte kann den dritten Teil der erblichen nicht über-
steigen.
Die Reichsräte haben erst nach Erreichung der Volljährigkeit
Zutritt in die Kammer. Stimmberechtigung erhal-
ten sie erst mit dem 25. Lebensjahre, die Prinzen des Königlichen
Hauses mit dem 21. Lebensjahr.
3. Die Zusammensetzung der Kammer der Abgeordneten.
Die Kammer der Abgeordneten besteht aus 163 Abgeordneten;
es kommt im Durchschnitt auf 38 000 Einwohner ein Abgeordneter.
Sie gehen aus Wahlen des Volkes hervor. Die Wahl erfolgt auf
sechs Jahre durch geheime, direkte (unmittelbare) Abstimmung. Un-
mittelbare Abstimmung bedeutet, daß die einzelnen Wähler selber
den Abgeordneten wählen, nicht erst mehrere Wahlmänner wählen,
die ihrerseits dann erst den Abgeordneten zu wählen hätten.
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*s Die Ernennung zum erblichen Reichsrat ist von ver—
schiedenen Voraussetzungen abhängig, insbesondere ist der Besitz des Adels
und eines gewissen Vermögens notwendig.
Die Wahl der Abgeordneten wurde durch Gesetz bom
9. April 1906 neu geregelt.