132 II. Verfassung.
men beider Kammern zusammengezählt und nach der absoluten
Mehrheit sämtlicher Stimmen der Ständebeschluß gezogen.“
Ueber die Bedeutung dieser Vorschriften ist in der Reg Begr z Ges
vom 24. August 1904 S 26/27 ausgeführt:
„In den §§ 60 und 61 der Verfassungsurkunde sind dreierlei
Vorschriften enthalten, einmal: es sollen die die Finanzen betreffenden
Gesetzentwürfe stets zuerst an die zweite Kammer gebracht werden,
sodann: die erste Kammer dürfe über die Annahme oder Ablehnung
solcher Entwürfe nur im ganzen und ohne Abänderungen im einzelnen
beschließen, endlich: es finde, wenn die erste Kammer bei ihrer
Abstimmung im ganzen den Beschlüssen der zweiten Kam-
mer nicht beitritt, eine Gesamtabstimmung der Mitglieder beider
Kammern mit Stimmendurchzählung statt. Die Bedeutung dieser
Vorschriften ist nicht unbestritten; namentlich hat sich eine einheitliche
Praxis darüber, was als ein die „Finanzen“ betreffender Gesetzent-
wurf oder nach der durch das Abänderungsgesetz vom 21. Dezember
1869 zu §§ 70 ff der Verfassung bewirkten Fassung als ein „Finanz-
gegenstände“ betreffender Vorschlag anzusehen sei, nicht herausgebildet.
Betrachtet man die Stellung des § 60 im Zusammenhange mit den
Vorschriften, die vorher in den §§ 53 bis 59 über die Befugnisse des
Landtags in Finanzangelegenheiten gegeben sind, geht man dem
innern Zusammenhange nach, in dem die Bestimmungen der §8 60 und
61 unserer Verfassung mit ähnlichen, sich aber lediglich auf das
Staatshaushaltsgesetz und die Budget= und Steuerbewilligung bezie-
henden Vorschriften der englischen Verfassung und des Verfassungs-
rechts von Bayern (Tit VI, § 18), Sachsen (§ 122), Württemberg
(§ 178) und Hessen (Art 67) stehen, so würde man zu der Ansicht ge-
langen, daß sich die §§ 60 und 61 der Verfassung nur auf solche Vor-
lagen beziehen, welche die in den vorausgegangenen Vorschriften der
§§8 53 bis 59 erwähnten Finanzangelegenheiten behandeln, also auf
das Auflagegesetz (Staatshaushalts-, Finanzgesetz), das Staatsbudget,
Anlehen, sowie Verfügungen über das Staats= und Domänenver-
mögen, daß aber Gesetze im eigentlichen Sinne des Wortes nicht
schon deshalb unter die §§ 60 und 61 der Verfassung fallen, weil sie
Finanzangelegenheiten berühren, wie dies insbesondere bei den die
Veranlagung und Erhebung der direkten und indirekten Steuern sowie
der Gebühren regelnden Gesetzen der Fall ist. Tatsächlich wurde
aber im Verkehr zwischen den beiden Kammern und der Regierung
nicht gar selten von der einen oder anderen Seite beansprucht, daß auch
Gesetzesvorlagen der letzteren Art den besonderen Vorschriften der
8g8 60 und 61 unterworfen, also namentlich der Einzeländerung durch
Bcschlüsse der ersten Kammer entzogen seien.“ Vgl auch über die