Verfassung. § 60. 133
seitherige Auslegung der §§ 60 und 61 die Anlage 1 zum KommBer
der zweiten Kammer von 1904, S 69 ff.
Erschien es schon aus diesem Grunde geboten, bei Gelegenheit
der Verfassungsrevision vom Jahr 1904 die Bedeutung dieser für
das Verhältnis der beiden Kammern wichtigen Vorschrift klar zu
stellen, so ließ es die mit der Novelle vom Jahr 1904
erstrebte Verstärkung der ersten Kammer durch Zuführung
von weiteren Mitgliedern, die aus den durch ihre Steuer-
kraft und durch Einsicht und Erfahrung im wirtschaftlichen und kom-
munalen Leben hervorragenden Bevölkerungsgruppen genommen
sind, auch als angemessen erscheinen, daß der ersten Kammer in
einigen Beziehungen erweiterte Befugnisse eingeräumt werden, welche
es ihr, unter Aufrechterhaltung einer in dieser Hinsicht bevorrechteten
Stellung der zweiten Kammer, möglich machen, auch auf die Ge-
staltung des Staatsfinanzwesens eine der verstärkten Bedeutung der
ersten Kammer entsprechende Einwirkung auszuüben. RegBegr
S 11.
Doch haben die im Regierungsentwurf enthaltenen Vorschläge
im Lauf der landständischen Verhandlungen mehrfache Modifikationen
erfahren; insbesondere bestanden gegen die erstrebte Erweiterung des
Budgetrechts der ersten Kammer in der zweiten Kammer erhebliche
Bedenken, die das Zustandekommen der Verfassungsrevision zeitweise
ernstlich in Frage stellten. Ueber den Gang der bezüglichen Ver-
bandlungen val unter I. Geschichte der Verfassung S 31 ff.
2. Die neue Bestimmung in § 60 zählt nunmehr die einzelnen,
die Finanzen betreffenden Vorlagen auf, bezüglich deren der zweiten
Kammer ein Vorzugsrecht in dem Sinne zusteht, daß diese Vorlagen
alle zunächst an die zweite Kammer gehen müssen und nicht, wie dies
sonst zulässig und üblich ist, nach dem Ermessen der Regierung ent-
weder an die erste oder die zweite Kammer gebracht werden.
Die im Regierungsentwurf ebenfalls aufgeführten Vorlagen
über die für die Tätigkeit der staatlichen Justiz= und Verwaltungs-
behörden zu erhebenden Gebühren sind zufolge Beschlusses der
zweiten Kammer von dieser besonderen Behandlung ausdrücklich aus-
genommen worden, KommBer d II. K, S 56 und 57; abgesehen hier-
von gibt der jetzige § 60 Verf dem Begriff der Finanzgesetze zu-
gunsten der zweiten Kammer die weiteste Auslegung und begreift
insbesondere auch die finanziellen Dauergesetze (Ziff 2) darunter,
bezüglich deren in der Vergangenheit am häufigsten Meinungs-
verschiedenheiten zwischen den beiden Kammern und der Regierung
hervorgetreten sind.