Full text: Badisches Verfassungsrecht.

142 II. Verfassung. 
8 64. 
Kein Gesetz, das die Verfassungsurkunde ergänzt, erläutert 
oder abändert, darf ohne Zustimmung einer Mehrheit von 
zwei Drittel der anwesenden Stände-Glieder einer jeden der 
beiden Kammern gegeben werden.t 
1. Außerdem schreibt § 73 Abs 1 Verf zur gültigen Abstim- 
mung über solche Entwürfe in beiden Kammern die Anwesenheit von 
mindestens drei Vierteln der Mitglieder vor, und trifft für die Be- 
rechnung dieser drei Viertel bezüglich der ersten Kammer in § 73 
Abs 2 noch besondere Bestimmungen. 
Welche Gesetze als „Verfassungsgesetze“ im Sinn der §§ 64 
und 73 Verf zu betrachten sind, ist nicht immer gleichmäßig ent- 
schieden worden. Jedenfalls sind diese Bestimmungen anwendbar 
auf alle Gesetze, welche den Text der Verfassung abändern, und zwar 
kommt es hier auf den sachlichen Inhalt der die Verfassung abändernden, 
ergänzenden oder erläuternden Gesetze (uvgl § 65 Verf und Bem 1 
dazu) nicht weiter an, vgl Wielandt, Staatsrecht, S 59, Anm 1. 
Das Gleiche gilt hinsichtlich derjenigen Gesetze, welche ausdrücklich 
zu einem „Bestandteil der Verfassung“ — vgl die §§ 4, 12, 23 Verf, 
ferner Art 19 des Amortis KasseS, Art 10 des Eisenbahn Schuld- 
Tilg KasseS — oder zu „Verfassungsgesetzen“ erklärt sind, vol Art 21 
des Oberrechnungskammer G und Art 34 des Etat G (Fassung von 
1882). Im übrigen ist bezüglich einer Anzahl von sonstigen Ge- 
setzen, welche zweifellos die Verfassungsurkunde ergänzen und er- 
läutern, die Dorner, AussfG, Note 3c, S 3 als nicht unter 
die für Verfassungsgesetze geltenden Bestimmungen fallend bezeich- 
net, (ähnlich Wielandt, Staatsrecht, S 5, Anm 7, „es unter- 
liegen nicht schlechthin alle Gesetze verfassungsrechtlichen Inhalts 
dieser Vorschrift"), die Anwendbarkeit des § 64 ausdrücklich ver- 
neint worden, so bezüglich des Zwangsabtretungsgesetzes von 1835 
(vgl 8 14 Abs 4 der Verf), das in der ersten Kammer mit 8 gegen 
7 Stimmen angenommen wurde. Das Ges vom 16. April 1870, 
betr die Wahlbezirke für die Wahlen zur zweiten Kammer, wurde 
im Hinblick auf die frühere Fassung des § 33 Verf („nach der dieser 
Verfassungsurkunde angehängten Verteilungsliste") als Verfassungs- 
gesetz behandelt, vol RegBegr zum WahlkreisG S 11, allerdings 
nicht ohne Widerspruch, vgl Prot der II. K 1899/00, S 216, wo 
die Mehrheit der zweiten Kammer dies verneinte. Demgemäß er- 
folgte auch die Aufhebung des Wahlkreisgesetzes vom 16. April 
1870 nicht durch das neue Wahlkreisgesetz, sondern in Art 8 
des Ges vom 24. August 1904, betr die Abänderung der Verfassung.
	        
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