148 II. Verfassung.
einer gewissen Frist zu treffen habe, val Wielandt, Staatsrecht,
S 60 und 165. In dem von der Kommission der zweiten Kammer auf
dem Landtag 1869/70 ausgearbeiteten Entwurf einer neuen Geschäfts-
ordnung war in § 100 vorgesehen, daß, wenn ein von beiden Kammern
angenommenes Gesetz bis zum Beginn des nächstfolgenden Landtags
nicht sanktioniert ist, die Genehmigung von seiten des Großherzogs
als verweigert gelte, und zur Begründung in dem Kommissionsbericht
(Verh d II. K, Landtag 1869/70, 6. Beil Heft S 361 ff) ausgeführt:
„Das Gesetz entsteht in dem Augenblick, wo der dritte Faktor seine
Zustimmung erklärt. Dazu wird aber wohl vorausgesetzt werden
müssen, daß in diesem Zeitpunkt die anderen Faktoren in Wirklich-
keit noch existieren und nicht bereits ihre Rechte an Nachfolger über-
gegangen sind. Letzteres ist aber der Fall, sobald der neue Landtag
zusammentritt.“ Dieser § 100 wurde aber bei der Beratung in der
zweiten Kammer gestrichen, nachdem Staatsminister Dr. Jolly sich
dahin erklärt hatte, daß die von der Sanktionierung der Gesetze han-
delnden §§ 99 und 100 des Entwurfs der Geschäftsordnung der bis-
herigen Praxis entsprechend und unzweifelhaft richtig seien, aber nicht
in die Geschäftsordnung gehören, da sie Rechtssätze enthalten, die nur
durch Verfassungsgesetze festgesetzt werden könnten. Prot S 147.
Die hier gebilligte Ansicht, daß mit der Eröffnung eines neuen Land-
tags die bis dahin noch nicht bestätigten, vom vorigen Landtag her-
rührenden Gesetzentwürfe hinfällig werden, bezeichnet Wielandt,
Staatsrecht, S 165 als der Natur der Sache entsprechend;a M Dor-
ner, AussfG, S 4, Note 9, der die Ansicht Wielandts als der ge-
setzlichen Grundlage ermangelnd bezeichnet. — Für die Reichsgesetz-
gebung ist diese Frage bei der Erlassung des RGes vom 8. März 1904,
betr die Aufhebung des § 2 des Jesuitengesetzes (Rchl S 139), im
gegenteiligen Sinn entschieden und trotz der inzwischen erfolgten Ein-
berufung eines neugewählten Reichstags einem Gesetzentwurf die
Zustimmung des Bundesrats erteilt worden, den ein früherer Reichs-
tag angenommen hatte. Für die Zulässigkeit dieses Verfahrens vol
Laband, Staatsrecht, 4. Aufl II, S 55, der früher ein gegenteiliges
konstitutionelles Gewohnheitsrecht vertreten hatte, nunmehr aber für
das Deutsche Reich ein solches Gewohnheitsrecht nicht für nachweisbar
erklärt.
Unter Promulgation ist die Verkündung oder aber die Erlassung
des Befehls zur Verkündung zu verstehen, vol Dorner, Auss,
S 3, Note 3a. Die Verkündung hat nach Art 1 des Bad AusfG z
BGB vom 17. Juni 1899 (Gu Vhl S 229) mittels eines Gesetz-
blattes zu erfolgen, wodurch die Gesetze ihre verbindliche Kraft er-
halten, und zwar, sofern in dem Gesetze selbst etwas anderes nicht