150 . II. Verfassung.
Hierher gehören die auf Grund des Polizeistrafgesetzbuchs und zum
Vollzug des Uebertretungsabschnitts des Reichsstrafgesetzbuchs von
den Orts- bzw Bezirkspolizeibehörden erlassenen orts- bzw bezirks-
polizeilichen Vorschriften, ferner die auf Grund der Städteordnung
oder der Gewerbeordnung erlassenen Ortsstatute, endlich statutarische
Vorschriften der Kreis= und Bezirksverbände und der beiden Landes-
kirchen, sowie hausgesetzliche Bestimmungen der standesherrlichen und
der vormals reichsunmittelbaren Familien über ihre Güter= und
Familienverhältnisse. Bezüglich dieser Rechtsnormen gilt allgemein
der in § 24 PolSt GB aufgestellte Grundsatz, daß keine Verordnung
mit Gesetzen, keine statutarische Vorschrift mit Gesetzen oder mit ge-
setzmäßig erlassenen Verordnungen und Vorschriften einer höheren
Behörde in Widerspruch treten darf. Auch bedürfen diese statutari-
schen Vorschriften der Genehmigung der vorgesetzten Behörde oder sind
dieser doch zur Geltungmachung etwaiger Beanstandungen zur Kennt-
nis zu bringen. Val Schenkel, Staatsrecht, S 24; Wielandt,
Staatsrecht, S 166. Bezüglich der Verordnungen der beiden Landes-
kirchen bestimmt § 15 des Kirchengesetzes vom 9. Oktober 1860, daß
keine Verordnung, welche in bürgerliche oder staatsbürgerliche Ver-
hältnisse eingreift, rechtliche Geltung in Anspruch nehmen oder in
Vollzug gesetzt werden kann, bevor sie die Genehmigung des Staats
erhalten hat, und daß alle kirchlichen Verordnungen gleichzeitig mit
der Verkündung der Staatsregierung mitgeteilt werden müssen. Das
landesherrliche Placet, wonach alle Verordnungen einer Kirchengewalt,
gleichgültig welches ihr Inhalt ist, vor ihrer Verkündung der Staats-
regierung behufs der Genehmigung vorgelegt werden müssen, be-
steht hiernach in Baden nicht mehr, vol Wielandt, Staatsrecht
S 315, Anm 1.
3. Diese durch das Staatswohl dringend gebotenen provisorischen
Gesetze (Notverordnungen mit Gesetzeskraft) tragen im übrigen
ganz den Charakter der Gesetze; es kann durch sie alles das geregelt
werden, was nach den Vorschriften der Verfassung sonst der stän-
dischen Beratung unterliegt. Dafür, daß die an bestimmte Mehr-
heiten gebundenen Verfassungsgesetze, wie Wielandt, Staats-
recht, S 168 meint, ausgenommen sein sollen, bietet das Gesetz
keinen Anhalt; freilich wird bei solchen Gesetzen eine Notverordnung
kaum in Betracht kommen. Daß die Notverordnung auch ohne aus-
drückliche Außerkraftsetzung spätestens mit dem Schluß des auf ihre
Erlassung folgenden Landtags und wenn eine der Kammern einem
zu ihrem Ersatz bestimmten Gesetzesvorschlag die Zustimmung ver-
weigert, schon mit diesem Augenblick ihre Wirksamkeit verliert, wird
man mit Wielandt, Staatsrecht, S 168, annehmen müssen, ob-