I. Geschichte der Verfassung. 9
welche wirkliche Mitglieder der ersten Kammer oder bei der Wahl der
Grundherren stimmfähig oder wählbar sind, — welche das fünfund-
zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt und in dem Wahlbezirk ihren
Wohnsitz haben, vorbehaltlich der besonderen gesetzlichen Ausnahmen
als bei der Wahl der Wahlmänner stimmfähig und wählbar erklärte.
Damit war das allgemeine Wahlrecht aller Staatsbürger zur Aner—
kennung gelangt, von dem das Gesetz vom 16. April 1870 über
cinige Abänderungen der Wahlordnung (G u VBlS 300) nur
für einzelne bestimmte Fälle (Entmündigung, Konkurs, Armen—
unterstützung im letzten der Wahl vorhergegangenen Jahr, strafgericht-
liches Urteil) Ausnahmen zuließ. Außerdem verlich das Gesetz vom
21. Dezember 1869 durch Einfügung des § 65a den Ständen das
Recht der Initiative bei der Gesetzgebung und beseitigte die Beschrän-
kungen, die bisher § 45 der Verfassung hinsichtlich der Wahl des
Präsidenten der zweiten Kammer enthalten hatte, durch einen Verzicht
auf das dem Staatsoberhaupt zustehende Bestätigungsrecht; auch
ermöglichte es durch eine Aenderung der Vorschriften der §§ 70—74,
wonach überall eine geheime Vorberatung in besonderen Ausschüssen
verlangt war, eine Vereinfachung des Geschäftsgangs insofern, als
die Annahme eines Gesetzentwurfs oder die Ablehnung eines landes-
herrlichen Gesetzesvorschlags auch ohne Vorberatung in einem beson-
deren Ausschusse für zulässig erklärt wurde, allerdings nur auf Grund
einer zweimaligen, durch eine Zwischenzcit von mindestens drei Tagen
getrennten Beratung und Abstimmung.
Die zehnte Aenderung erfuhr sodann die Verfassung durch das
Gesetz vom 16. April 1870, betr. die Aenderung ciniger Bestimmungen
der Verfassungsurkunde (G u VhBl S 299), durch welches ent-
sprechend einem Initiativantrag des Abgcordneten Kiefer die Dauer
des Mandats der Abgeordneten zur zweiten Kammer — nicht auch
diejenige der Abgeordneten der Grundherren und der Universitäten,
bezüglich deren die erste Kammer dem Beschluß der zweiten Kammer,
die Mandatsdauer auf vier bzw. zwei Jahre zu bestimmen, nicht
beitrat — von acht auf vier Jahre herabgesetzt wurde.
Ein Gesetz vom gleichen Tage, betr einige Aenderungen der
Wahlordnung, brachte sodann auch einc bedeutungsvolle Aenderung
bezüglich des Wahlverfahrens, nämlich die geheime Abstimmung bei
den Wahlmännerwahlen an Stelle der bis dahin geltenden offenen
Stimmgebung. Noch im Jahre 1846 war in der zweiten Kammer
über eine Petition um Einführung der für die Abgcordnetenwahl
nach § 75 der Wahlordnung bereits vorgeschriebenen geheimen Ab-
stimmung auch für die Wahlmännerwahl auf Antrag des Abgcord-