166 II. Verfassung.
1. Die durch Art 6 des Ges vom 21. Dezember 1869 (Gu VBI
S 571) aufgehobenen und durch eine, zuweilen als § 70 a bezeichnet?
und mit einer unten zu besprechenden Ausnahme sachlich mit dem
jetzigen § 70 übereinstimmende, neue Bestimmung ersetzten 88 70,
71, 72, 73 hatten folgenden Wortlaut:
„§ 70. Kein landesherrlicher Antrag kann zur Diskussion und
Abstimmung gebracht werden, bevor er nicht in besonderen Kommis-
sionen erörtert und darüber Vortrag erstattet worden ist.
§J# 71. Die landesherrlichen Kommissarien treten zur vorläufigen
Erörterung der Entwürfe mit ständischen Kommissionen zusammen,
so oft es von der einen oder andern Seite für notwendig erachtet wird.
Keine wesentliche Aenderung in einem Gesetzentwurf kann getroffen
werden, die nicht mit den landesherrlichen Kommissarien in einem
solchen gemeinschaftlichen Zusammentritt erörtert worden ist.
& 72. Die Kammern können einen zum Vortrag gebrachten
Entwurf nochmals an die Kommissionen zurückweisen.
§J# 73. Ein von der einen Kammer an die andere gebrachter Ge-
setzesentwurf oder Vorschlag irgend einer Art kann, wenn er nicht
Finanzgegenstände betrifft, mit Verbesserungsvorschlägen, die in einer
Kommission nach § 71 erörtert worden, an die andere Kammer
zurückgegeben werden.“ «
An die Stelle dieser Bestimmungen trat zufolge des oben erwähnten
Art 6 des Ges vom 21. Dezember 1869 die folgende:
„Die Annahme eines Gesetzentwurfs, sowie die Ablehnung eines
landesherrlichen Gesetzesvorschlags können in jeder Kammer sowohl
nach stattgehabter Vorberatung in einem besonderen Ausschusse, als
auch ohne solche erfolgen, letzteres aber nur auf Grund einer zwei-
maligen, durch eine Zwischenzeit von mindestens drei Tagen getrenn-
ten Beratung und Abstimmung. Ein von der einen Kammer an die
andere gebrachter Gesetzentwurf oder Vorschlag irgend einer Art kann,
wenn er nicht Finanzgegenstände betrifft, mit Verbesserungsvor-
schlägen an die andere Kammer zurückgegeben werden.“
Der Art 6 des Ges vom 21. Dezember 1869 suchte in einer Ab-
kürzung des Geschäftsgangs und einer vermehrten Tätigkeit in den
öffentlichen Plenarsitzungen der Kammern die Mittel, „durch welche
eine Bewältigung der stets wachsenden Arbeiten der Stände ohne
Ueberschreitung der kurzen Zeit möglich wird, die der Mehrzahl der
Abgeordneten, sollen ihnen nicht zu große Opfer in ihrer privaten
Lebensstellung erwachsen, zur Besorgung der öffentlichen Angelegen-
heiten zu Gebote steht.“ Dies schien um so mehr geboten, als den
Ständen durch das gleiche Gesetz das Recht der Initiative bei der
Gesetzgebung verliehen wurde, vgl § 65 a und Bem 1 dazu. Während