I. Geschichte der Verfassung. 29
trag und Zweck der Anforderung ergeben hat, und bezüglich des
Finanzgesetzes sollte, wenn auch bei wiederholter Beschlußfassung
beider Kammern eine Ucbereinstimmung nicht zu erziclen ist, auf
Verlangen der Regierung ein Zusammentritt der beiden Kammern
zu einer gemeinsamen Abstimmung stattfinden. Das formelle Vor-
gangsrecht der zweiten Kammer in bezug auf die Beratung von
Finanzgegenständen sollte dagegen im weitesten Umfang anerkannt
werden.
Die drei Gesetzesentwürfe wurden von der zweiten Kammer an
ceinc aus 17 Mitgliedern bestehende besondere Kommission zur Vor-
beratung verwiesen, welche den Abgcordneten Zehnter zu ihrem
Vorsitzenden und den Abgcordneten Obkircher für die drei Ent-
würfe zum Berichterstatter wählte. Die Kommission begann mit
ihren Beratungen am 11. Januar 1904. Zunächst fand über die
wichtigsten prinzipiellen Fragen aus den drei Vorlagen einc allge-
meine Diskussion statt, die in vier Sitzungen zu Ende geführt
wurde. Beschlüsse wurden nicht gefaßt, dagegen ergab sich eine
Grundlage zu einer Aussprache mit Vertretern der Regierung über
dic den drei Entwürfen unterliegenden Grundgedanken. Diese Aus-
sprache fand am 10. Februar 1904 statt. Am 2. März wurde so-
dann mit der Spezialberatung begonnen, welche drei Sitzungen
in Anspruch nahm, und am 11. März wurde die inzwischen
von einer engeren (Redaktions-) Kommission vorbereitete Fassung
der Beschlüsse genehmigt. Nach der über die Osterzeit ein-
getretenen Unterbrechung der Landtagsarbeiten gab sodann am
15. April der Minister des Innern Dr. Schenkel namens der Re-
gierung eine Erklärung ab, welcher die zweite Lesung in der Kom-
mission am 20. April nachfolgte, wobei die Stellung der Kommission
zur Vorlage festgesettt wurde. Letztere wird in dem vom Abge-
ordneten Obkircher namens der Verfassungskommission erstatteten
gründlichen und insbesondere auch die Vorgeschichte der Verfassungs-
revision eingehend behandelnden Bericht! folgendermaßen zusammen-
gefaßt:
Die Kommission anerkannte einmütig, daß die Vorlagen der
Regierung den Wünschen der zweiten Kammer weit mehr entgegen-
kommen, als nach deren Erklärungen im letzten Landtag, insbeson-
dere nach den mündlichen Ausführungen des Staatsministers Dr.
von Brauer und des Ministers des Innern Dr. Schenkel in
der Sitzung vom 4. Juli 1902 in Aussicht genommen werden konnte.
1. Verh der II. K 1903/04, 2. BeilHeft, zu Drucks Nr 26 a.