I. Geschichte der Verfassung. 33
In letzterer Hinsicht sahen die Anträge der Kommission eine
andere Gruppierung der in § 60 aufgeführten, dem formellen Vor-
gangsrecht der zweiten Kammer unterliegenden Finanzgesetze nach
der Art ihrer weiteren geschäftlichen Behandlung durch die beiden
Häuser des Landtags vor; und zwar sollte über die Rechnungs-
nachweisungen und vergleichenden Darstellungen eine Beschlußfassung
der ersten Kammer nur stattfinden, nachdem die zweite Kammer
darüber beschlossen hat, gleichviel welchen Inhalt dieser Beschluß
hatte, bezüglich der übrigen Finanzgesetze sollte dagegen eine Be-
schlußfassung der ersten Kammer nur stattfinden dürfen, nachdem
sie von der zweiten Kammer angenommen worden sind, im übrigen
ohne jede Einschränkung der ersten Kammer hinsichtlich ihrer
Amendierungsbefugnis und ohne Durchzählung für den Fall der
Ablehnung durch die erste Kammer. Nur für den Fall, daß über
einzelne Positionen des Budgets keine Verständigung erzielt wer-
den kann, war weiter bestimmt, daß die bestrittenen Positionen in
den dem Finanzgesetz anzuschließenden Staatsvoranschlag nur inso-
weit eingestellt werden sollen, als sich bei der Beschlußfassung eine
Uebereinstimmung beider Kammern über den Betrag, den Gegen-
stand und die Zweckbestimmung ergeben hat.
Für den Fall, daß die Beschlüsse beider Kammern nicht über-
einstimmen, wurde — und zwar gleichviel, ob es sich um Finanz-
sachen oder andere Gegenstände handelt — ein Zusammentritt der
beiderseitigen Kommissionen zum Zwecke der Verständigung vor-
gesehen.
In der Sitzung der ersten Kammer vom 5. Juli 1904 wurden
diese Anträge mir geringfügigen Aenderungen mit allen gegen eine
Stimme angenommen.
Bei der darauf folgenden wiederholten Beratung in der Kom-
mission der zweiten Kammer wurde zwar dem Strich der die Ver-
tretung der Arbeiter in der ersten Kammer betreffenden Vorschrift
zugestimmt, bezüglich des Stellvertretungsrechts und der Wahl an
Stelle der Ernennung der Vertreter der Städte und Kreise da-
gegen an dem früheren Beschluß festgehalten, und bezüglich des
Budgetrechts die von der ersten Kammer beschlossene Fassung der
#§# 60 und 61 nur mit der Maßgabe angenommen, daß bei Mei-
nungsverschiedenheiten der beiden Kammern trotz wiederholter Be-
schlußfassung die einzelnen Positionen in demjenigen Betrag in das
Budget einzustellen seien, für den sich die zweite Kammer ausge-
sprochen hat, sowie daß, wenn die erste Kammer das Finanzgesetz
oder einen demselben in § 60 Ziff 3 gleichgestellten Gesetzentwurf ab-
Glockner, Bad. Verfassungsrecht. 3