Verfassung. § 27. 69
11. Der Regierungsentwurf hatte in § 32 vorgeschlagen, daß
die Zahl der vom Großherzog ernannten Mitglieder von 8 auf 10
erhöht werden solle, und daß von diesen Mitgliedern vier im Zeit-
punkt der Ernennung die Eigenschaft als Oberbürgermeister oder
Bürgermeister einer Stadt von mehr als 3000 Einwohnern oder
als Vorsitzender eines Kreisausschusses besitzen müssen. Als Grund für
diese teilweise Bindung des Ernennungsrechtes des Landesherrn an
einen so beschränkten Kreis von Personen wurde angeführt, die der
Städteordnung unterstehenden Städte hätten nicht bloß durch ihre
Einwohnerzahl und die Größe der dort angesammelten Steuer-
kapitalien, sondern namentlich auch durch die in den Städten blühen-
den Vereine, Anstalten und Einrichtungen eine besondere Be-
deutung für unser öffentliches Leben erlangt. Auch die Kreise hätten
in ihrem vierzigjährigen Bestehen eine gefestigte und allgemein an-
erkannte Wirksamkeit auf den verschiedensten Gebieten der öffent-
lichen Angelegenheiten entfaltet. Endlich seien unter den der Städte-
ordnung nicht unterstehenden Städten nicht wenige, die sich durch
reges wirtschaftliches und geistiges Leben auszeichnen. Diese Tat-
sachen machten es wünschenswert, daß diese Kommunalverbände eine
entsprechende Vertretung in der ersten Kammer erhielten.
Die zweite Kammer trat zwar dem Grundgedanken dieses Vor-
schlags, nicht aber der vorgesehenen Art der Bestellung dieser Ver-
treter der Selbstverwaltungskörper bei, beschloß vielmehr die Wahl
dieser Vertreter durch die Mitglieder der Stadträte bzw Ge-
meinderäte und Kreisausschüsse. In der ersten Kammer bestanden
hiergegen zunächst Bedenken, namentlich weil zu befürchten sei, daß
dadurch in die Stadtvertretungen und die Kreisverwaltungen ein
für deren gedeihliche Wirksamkeit nachteiliges politisches Moment
hineingetragen würde; bei der zweiten Beratung trat sie aber der
von der zweiten Kammer beschlossenen Fassung bei. — Nach dem
Wortlaut der Ziff 7 in Verb mit § 39 Abs 2 Verf („Wegfall
einer der für die Wählbarkeit maßgebenden Voraussetzungen“)
scheiden die von den Selbstverwaltungskörpern gewählten Vertreter
aus der ersten Kammer aus, wenn sie die Eigenschaft als Oberbürger-
meister, Bürgermeister oder Kreisausschußmitglied während der vier-
jährigen Landtagsperiode, für welche die Wahl erfolgt (§ 32
Verf), verlieren, während der Regierungsvorschlag diese Eigenschaften.
nur für den Zeitpunkt der Ernennung verlangt hatte. Vgal d Verh
in der ersten Kammer vom 5. Juli 1904, Prot S 240. Daß ein
Oberbürgermeister, Bürgermeister oder Kreisausschußmitglied, der
beim Ablauf seiner Amtsperiode wieder in dieser Eigenschaft ge-
wählt wird, aus der ersten Kammer ausscheidet, ist wohl nicht ge-