Verfassung. § 28. 73
wurde, soll ausgedrückt werden, daß die unter der Voraussetzung
eines liegenschaftlichen Besitzes mit Stammgutseigenschaft im Steuer-
anschlag von mindestens 1 Million Mark an das Haupt der adeligen
Familie verliehene Berechtigung ihre Wirkung verliert, falls eine
dieser Voraussetzungen wegfällt, also wenn die Familie nicht im
Besitze des Gutes bleibt oder wenn das Gut die Stammgutseigen-
schaft verliert, oder wenn der Steueranschlag des Gutes dauernd
unter 1 Million Mark gesunken ist. KommBer der zweiten Kammer
S 30/31.
Wegen der Erfordernisse eines Stammguts val Art 36 des
Bad AussE, z BGB vom 17. Juni 1899 (Gu Vhl S 229) und
Dorner, AussG S 318 ff.
5. Die Absätze 3 und 4 wurden durch das Gesctz vom 24. August
1904 neu eingefügt und damit entsprechend der von der ersten
Kammer im Jahr 1898 gegebenen Anregung und im Anschluß an
die in anderen deutschen Staaten geltenden Verfassungsvorschriften
innerhalb bestimmter Schranken eine Stellvertretung des Hauptes der
standesherrlichen Familie durch einen Agnaten zugelassen, während
früher nach § 28 Abs 2 Verf während der Minderjährigkeit eines
Standesherrn dessen Stimme ruhte. Danach soll nunmehr, im Falle
für ein minderjähriges oder geistestrankes Familienhaupt ein Agnat
als Vormund bestellt ist, dieser kraft Gesetzes zur Stellvertretung
berufen, im übrigen aber das Familienhaupt befugt sein, im Falle
der Verhinderung einen Stellvertreter aus dem Kreise der Agnaten
zu bezeichnen. Solange einc Stellvertretung stattfindet, ruht die
Befugnis des Familienhaupts, seine Mitgliedschaft auszuüben; ins-
besondere steht es demselben nicht zu, dem Stellvertreter über die
in der Kammer einzunehmende Haltung Weisungen zu erteilen, viel-
mehr ist für den Stellvertreter nach § 48 Verf nur die eigene Ueber-
zeugung maßgebend. Darum ist auch vorgeschrieben, daß der Stell-
vertreter, abgesehen vom Vormundschaftsfall, stets für die ganze
Sitzungsperiode (§ 79 Abs 1 Verf), nicht die Landtagsperiode (§ 37
Abs 1 Verf), zu bestellen ist, also die Bestellung vorher nicht wider-
rufen werden kann. Ueber die Vereigenschaftung des Stellvertreters
vol § 32a Abs 2 Satz 3 Verf und Bem 3 dazu. Eine Aenderung
des § 47 Verf war nicht geboten; der Stellvertreter ist als Kammer-
mitglied im Sinne dieser Vorschrift zu betrachten, RegBegr S 14.
Darüber, ob ein Hinderungsgrund vorliegt und somit ein Stell-
vertreter nach Abs 4 zu ernennen ist, haben die Standesherren nach
freiem Ermessen zu befinden, und es wird als ausgeschlossen gelten
müssen, daß etwa die erste Kammer die Zulassung des Stellvertreters