Full text: Die Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg.

156 Verfassungsurkunde. 8 88. 
der Natur der staatlichen Tätigkeit, für die sie entrichtet werden, 
und nach der Art ihrer Erhebung als öffentlich rechtliche Leistungen 
oder als privatwirtschaftliche Vergütungen darstellen: Im ersteren 
Fall entspricht dem Grundsatze die gesetzliche Regelung, wie denn 
auch die Gebühren in den vor die ordentlichen Gerichte gehörigen 
Rechtssachen, auf welche die Civilprozeßordnung, die Strafprozeß- 
ordnung oder die Konkursordnung Anwendung findet, durch das 
Gerichtskostengesetz in der Fassung des Reichsgesetzes vom 17. Mai 
1898 und die Gerichtskosten in Angelegenheiten der freiwilligen 
Gerichtsbarkeit auf Grund des Landesgesetzes vom 4. Juli 1899 
durch die K. Verordnung vom 11. Novbr. 1899, die Verwaltungs- 
sporteln durch das Sportelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung 
vom 28. Dezbr. 1899 geordnet sind. Im letzteren Falle dagegen 
lassen sich grundsätzliche und verfassungsmäßige Bedenken gegen die 
Regelung im Verordnungswege nicht geltend machen. Die Regie- 
rung hat auch bisher an dem Recht der selbständigen Festsetzung 
der Gebühren im württembergischen Post-, Telegraphen= und Eisen- 
bahn-Verkehr trotz wiederholtem Widerspruch der Abgeordneten- 
kammer festgehalten. 
d) Die vor der Verfassung von 1819erlassenen 
staatlichen Anordnungen geben durch die Form ihrer Ab- 
fassung keine Auskunft darüber, ob sie Gesetze oder Verordnungen 
im Sinne der Verfassungsurkunde sind. Entscheidend ist hier le- 
diglich der Inhalt für die Frage, ob sie als Gesetze im materiellen 
Sinn aufzufassen sind oder nicht. Soweit sie sich nach ihrem In- 
halt als Gesetze darstellen, bedürfen sie zu ihrer Aenderung eines 
Gesetzes; ihr sonstiger Inhalt dagegen kann im Verordnungswege 
geändert werden. Diese Regel hat auch in dem Art. 54 Abs. 2 
des Polizeistrafgesetzes vom 27. Dezember 1871 Anerkennung ge- 
funden 7. 
3. Die Förmlichkeiten, die bei der Erlassung eines Gesetzes zu 
beobachten sind, die verschiedenen Stadien des Gesetz ge- 
bungswegs, kommen bei § 172 zur Erörterung. 
  
1) Vgl. Bitzer a. a. O. S. 280, 283.
	        
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