Full text: Die Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg.

Verfassungsurkunde. § 89. 159 
6. Gegenüber von Reichsgesetzen kommt dem Bundesrat und 
Kaiser die Ausführung und die Ueberwachung der Ausführung dem 
Kaiser zu (Reichs-Verf. Art. 7 Ziff. 2 und Art. 17). Entsteht an- 
läßlich der Erlassung eines Reichsgesetzes das Bedürfnis, innerhalb 
eines von der Reichsgesetzgebung nicht beherrschten Gebiets Aen- 
derungen vorzunehmen, so entscheiden die allgemeinen Grundsätze 
darüber, ob diese Aenderungen durch Landesgesetz oder durch lan- 
desherrliche Verordnung durchzuführen sind; werden dagegen Aus- 
führungsbestimmungen auf Grund einer Ermächtigung des in Frage 
stehenden Reichsgesetzes erlassen, so entscheidet über die dazu be- 
rufene Behörde der Inhalt des Reichsgesetzes 7. 
7. Soweit das Verordnungsrecht des Königs reicht, ist er auch 
befugt, von den Anordnungen im einzelnen Falle Ausnahmen zu- 
zulassen, im Bereiche des Verordnungsrechts steht der Regierung 
die Dispensatiosbefugnis zu; dagegen sind der König und 
die Staatsbehörden an die gesetzlichen Anordnuugen gebunden, und 
daher nur auf Grund gesetzlicher Ermächtigung berechtigt, von ge- 
setzlichen Verpflichtungen in einzelnen Fällen zu entbinden (ogl. 
BG. 8 3, AusfG. z. BGB. Art. 255, Bauordnung v. 6. Okt. 1872 
Art. 76). Diese allgemeinen Rechtsgrundsätzen entsprechende Be- 
schränkung des Dispensationsrechts wird mehr und mehr von der 
Theorie und Praxis anerkannt 2). Von einer Vorschrift kann nur 
diejenige Behörde dispensieren, welche sie zu erlassen berechtigt ist. 
An sich finden diese Grundsätze auch auf die Dispensation von 
Steuern, Abgaben und Gebühren Anwendung. Ein anderer recht- 
licher Gesichtspunkt kann jedoch dabei zu einem ähnlichen praktischen 
Erfolge führen, wie die Dispensation. Die Geltendmachung ver- 
mögensrechtlicher Ansprüche des Fiskus steht dem pflichtmäßigen 
Ermessen der Verwaltungsbehörden, in letzter Linie der Entschließung 
des Königs gemäß § 4 Vl. zu; damit ist der Staatsverwaltung 
die Möglichkeit gegeben, in einzelnen Fällen aus besonderen Grün- 
den von der Verfolgung eines solchen Anspruchs abzusehen 3). 
1) Vgl. Laband, Reichsstaatsrecht Bd. 2 S. 109. 
2) Vgl. Sarwey, Staatsrecht Bd. 2 S. 68—77; Gaupp- 
Göz S. 186—187; Laband, Reichsstaatsrecht Bd. 4 S. 527. 
5) Vgl. Laband a. a. O. Bd. 4 S. 528; Göz, Einket G 
S. 312 Note 2.
	        
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