Full text: Die Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg.

160 Verfassungsurkunde. § 89. 
Früher wurde von der Regierung das Dispensationsrecht in 
weiterem Umfange in Anspruch genommen unter Bezugnahme auf 
die Verfassungsurkunde. Der K.Verf. Entw. v. 1817 hatte nämlich 
in §8§ 153 u. 154 bestimmt: 
„Landesherrliche Konzessionen, welche nach den Gesetzen zu Aus- 
übung eines Rechts erforderlich sind, können ohne Mitwirkung der 
Landstände erteilt werden. Es darf aber weder den allgemeinen 
Landes-Gesetzen und Landesfreiheiten, namentlich der gesetzlichen 
Gewerbefreiheit der Staatsbürger, noch den wohlerworbenen Rechten 
eines Dritten dadurch Eintrag geschehen. 
Auf gleiche Weise steht auch den Königlichen Behörden das 
Recht der Dispensations-Erteilung zu, insoferne solche in dem ge- 
gebenen Falle weder von dem Gesetze ausdrücklich ausgeschlossen, 
noch mit dem Zwecke des Gesetzes unvereinbarlich ist, noch ein er- 
worbenes Recht eines Dritten dadurch verletzt wird.“ 
In die Verfassungsproposition wurden diese Bestimmungen 
nicht aufgenommen; in dem Kommissionsbericht ist in dieser Be- 
ziehung nur bemerkt: „Das Recht der Erteilung königlicher Kon- 
zessionen und Dispensationen, soweit es gesetzmäßig geübt wird, 
bedurfte keiner besonderen Erwähnung" 1). In der Folge wurde 
wiederholt von der Regierung, jedoch nicht ohne den Widerspruch 
einzelner Mitglieder der Ständeversammlung, ein allgemeines Recht 
der Regierung zur Dispensation von gesetzlichen Vorschriften be- 
hauptet, soweit dadurch Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden, 
und dieses Recht auf den § 4 Vl. gestützt ?2). 
8. Die Notverordnung ist nach dem Wortlaut des § 98 
lediglich an die Voraussetzung geknüpft, daß die Sicherheit des 
Staats ihre sofortige Erlassung erfordert; ob diese Voraussetzung 
vorliegt, hat die Regierung nach ihrem pflichtmäßigen Ermessen 
festzustellen. Die Schrankenlosigkeit dieser diskretionären Gewalt 
wurde bei der Beratung der Verfassungsproposition von 1819 nicht 
verkannt und auch auf die Gefahren einer solchen Befugnis hinge- 
wiesen, als Gegengewicht wurde die Verantwortlichkeit der Minister 
1) Vgl. Fricker, VerfUkde. S. 111 u. 189. 
2) Vgl. Bitzer a. a. O. S. 285—289.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.