Full text: Die Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg.

Verfassungsurkunde. § 95. 173 
den Lehren der Wissenschaft die rechtliche Natur der streitigen An- 
sprüche entscheidend; werden sie aus dem Privatrecht abgeleitet, so- 
gehören sie vor die Civilgerichte, wurzeln sie dagegen im öffent- 
lichen Recht, so sind die Verwaltungsgerichte zuständig. Unter dem 
bürgerlichen Recht, das mit den in Art. 55 EG. z. BGB. erwähn- 
ten „privatrechtlichen Vorschriften“ zusammenfällt, ist im allgemeinen 
nach den Motiven zum BG. der Inbegriff derjenigen Normen zu 
verstehen, welche die den Personen als Privatpersonen zukommende 
rechtliche Stellung und die Verhältnisse, in welchen die Personen 
als Privatpersonen untereinander stehen, zu regeln bestimmt sind. 
Auch dieser Begriff ist jedoch gesetzlich nicht festgelegt; in einzelnen 
Zweifelfällen ist die Frage, ob ein Anspruch dem Privatrecht oder 
dem öffentlichen Recht angehört, unter Beachtung der konkreten 
Verhältnisse, der maßgebenden Vorschriften der Reichs= und Lan- 
desgesetze und der von der Wissenschaft gewonnenen Grundsätze zu 
entscheiden 1). 
b) Der Umfang der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist durch das 
Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Dezember 1876 
begrenzt; je nach der Gestaltung des Verfahrens sind zu unter- 
scheiden die Parteistreitsachen (Art. 10 u. 11), zu deren Erledigung 
zwei Instanzen vorgesehen sind und die Rechtsbeschwerdesachen 
(Art. 13 u. 14), die der Verwaltungsgerichtshof als erste und einzige 
Instanz entscheidet. Zu den Parteistreitsachen gehören nur dieje- 
nigen Streitigkeiten des öffentlichen Rechts, die in dem Art. 10 des 
erwähnten Gesetzes und in den späteren diesen Art. 10 ergänzenden 
Gesetzen 2) ausdrücklich der vollen Verwaltungsgerichtsbarkeit un- 
terstellt sind; für diese Parteistreitsachen greift also das Enumera- 
tionsprinzip durch. Dagegen ist die verwaltungsgerichtliche Rechts- 
beschwerde hinsichtlich ihres Umfangs nach allgemeinen Gesichts- 
punkten bestimmt und daher grundsätzlich, soweit nicht besondere 
Bestimmungen entgegenstehen, in allen Fällen zulässig, wo die Vor- 
aussetzungen des Art. 13 (vgl. S. 58) zutreffen?). 
3. Die Fälle, in denen Eingriffe der Staatsgewalt in Privat- 
1) Vgl. Gö; a. a. O. S. 7—28. 
2) Vgl. Göz a. a. O. S. 40—46. 
7) Vgl. Göz a. a. O. S. 97—112.
	        
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