Full text: Die Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg.

Verfassungsurkunde. § 97. 175 
legen, sondern es kann auch nach Eröffnung des Erkenntnisses 
der Derurteilte sich an die Gnade des RKönigs wenden. 
Auf gleiche Weise kann auch, wenn nach dem Gutachten 
des königlichen Justizministerums hinlängliche Gründe dazu 
vorhanden sind, vermöge des dem Könige zustebenden Abo- 
litionsrechtes, noch elbe das Derbrechen oder Dergeben unter- 
sucht, oder über die Bestrafung erkannt worden ist, alles Der- 
fabren gegen den Beschuldigten eingestellt und niedergeschlagen 
werden. 
Der König wird jedoch bei Ausübung sowohl des einen, 
als des andern Rechtes darauf Rücksicht nehmen, daß dem An- 
seben und der Wirksamkeit der Strafgesetze dadurch nicht zu 
nabe getreten werde. 
1. Nach § 97 steht dem König eine unmittelbare Einwirkung 
auf den Strafvollzug zu mit dem Begnadigungsrecht im 
Sinne des Abs. 1 und dem Abolitionsrecht im Sinne des 
Abs. 2; diese Einwirkung stellt sich als eine Regierungshandlung 
dar, bei der die in Abs. 3 bezeichnete Rücksicht zu nehmen ist, und 
bedarf daher der Gegenzeichnung des verantwortlichen Ministers #. 
Bei Urteilen des Staatsgerichtshofs ist das Abolitionsrecht ausge- 
schlossen und das Begnadigungsrecht eingeschränkt (Vll. § 205). 
Das verfassungsmäßige Begnadigungsrecht des Königs ist im we- 
sentlichen von der Reichsgesetzgebung nicht berührt worden; es er- 
streckt sich auf alle Untersuchungen württembergischer Behörden in 
Strafsachen, und auf alle von württembergischen Gerichten oder in 
der Folge vom Reichsgericht in der Revisionsinstanz erkannten 
Strafen, desgleichen auf die Strafverfügungen und Strafbescheide 
der Verwaltungs= und Disziplinarbehörden; ausgeschlossen ist es, 
soweit dem Kaiser reichsgesetzlich das Begnadigungsrecht zukommt. 
Auch für die Militärgerichtsbarkeit gilt im Frieden der Grundsatz, 
daß die Begnadigung demjenigen Kontingentsherrn zusteht, dessen 
Militärgericht das Urteil gefällt hat. 
1) Ueber das Begnadigungsrecht im allgemeinen vgl. Sarwey, 
Staatsrecht Bd. 2 S. 101—103; Gaupp-Göz S. 78—80; La- 
band, Reichsstaatsrecht Bd. 3 S. 482—405.
	        
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