14 Verfassungsurkunde. § 2.
dem die Vorschriften des Völkerrechts, des württembergischen Staats-
rechts und des deutschen Reichsstaatsrechts zu beachten sind. Ge-
bietserwerb und Gebietsverlust durch Krieg kommt für Württemberg
nicht mehr in Frage, da die Befugnis, Krieg zu erklären und Frieden
zu schließen, nach Art. 11 der Reichsverfassung ausschließlich den
Organen des Reichs zusteht und auch zu einem Friedensschlusse, der
württembergisches Gebiet abtreten würde, die Zustimmung Württem-
bergs nicht erforderlich wäre.
2. Bei der Erwerbung von Gebiet ist ein doppelter
Fall möglich:
a) Der Regent ist ausschließlich persönlich dabei beteiligt, ihm
persönlich fällt neues Gebiet durch Familienvertrag, letztwillige Ver-
fügung, Fürstenwahl oder sonstwie zu; hier ist an sich eine Zustim-
mung der Landstände nicht erforderlich, es wird lediglich eine Per-
sonalunion geschaffen, bei der das neue Gebiet vom seitherigen
Staatsgebiet getrennt bleibt.
b) Der württembergische Staat ist beteiligt, was insbesondere
dann anzunehmen ist, wenn das neue Gebiet dem seitherigen Staats-
gebiet einverleibt werden soll oder durch Anwendung der Staats-
kräfte erworben worden ist; hier muß das neue Gebiet nach der
ausdrücklichen Vorschrift der Verfassung, die ihre Entstehung den
Erfahrungen in der Konfliktszeit verdankt, als ein Bestandteil des
Staatsgebiets der württembergischen Verfassung unterstellt werden;
der hier den Gebietserwerb vermittelnde Staatsvertrag wird nach
seinem Inhalt regelmäßig der Zustimmung der Landstände bedürfen;
diese ist nach § 85 Vl. namentlich nötig, wenn es sich um einen
Tausch von Staatsgebiet oder um einen Kauf mit staatlichen Mitteln
handelt.
3. Die Veräußerung von Staatsgebiet bedarf unter
allen Umständen nach § 85 Vl. der Einwilligung der Stände, auch
wenn sie, wie bei einer Grenzausgleichung, geringfügig ist, oder, wie
bei einem Tausche, durch die Gegenleistung aufgewogen wird. Eine
erhebliche einseitige Gebietsabtretung wird stets unter einem Zwange
stehen, der die Anwendung der aus der Initiative der Ständever-
sammlung hervorgegangenen Vorschrift in Abs. 3 in Frage stellen
kann. Bei der Auflösung der Hoheitsgemeinschaft in den Orten