202 Verfassungsurkunde. 8 109.
8 loo. Steuern und deren Verwilligung.
Soweit der Ertrag des Kammerguts nicht zureicht, wird
der Staatsbedarf durch Steuern bestritten. Ohne Derwilligung
der Stände kann weder in Kriegs= noch in Friedenszeiten eine
direkte oder indirekte Steuer ausgeschrieben und erhoben
werden.
1. In dem Kommissionsbericht von 1819 über das 8. Kapitel
der Verfassungsproposition ist ausgeführt: „Reicht nun über den
verabschiedeten Betrag der Zivilliste und der an die Mitglieder
des königlichen Hauses abzureichenden Apanagen und Wittume der
Ueberschuß des Kammerguts zur Deckung der erforderlichen Staats-
ausgaben nicht hin, so muß das Fehlende durch Steuerauflagen
herbeigeschafft werden. Willkürlich können in Zukunft zu keiner
Zeit Steuern ausgeschrieben und erhoben werden, sondern sie müssen,
welcher Art sie auch seien, vorher von den Ständen ver-
willigt sein“; ferner ist hier gesagt: „Durch die §§ 104, 105 und 106
(jetzt 109—111) soll dem Volke das Steuerverwilligungsrecht gesichert
werden, zu welchem Ende ihm die ungestörte Einsicht in die Führung
der Staatshaushaltung, in die Verwendung der Staatseinnahmen
gestattet wird, um sodann nach vorangegangener Ueberzeugung von
der Unzulänglichkeit des Kammergutsertrags zu Bestreitung der not-
wendigen Staatsausgaben den erforderlichen Steuerbetrag zu er-
messen. Dieses Steuerbewilligungsrecht ist für das Volk bei allen
Zeitumständen und bei jeder Art von Steuern begründet“.
Im einzelnen ist zu bemerken:
a) Unter dem Staatsbedarf, der aus dem Ertrage des
Kammerguts und mit Steuern bestritten wird, ist nicht der gesamte
staatliche Jahresaufwand, sondern nur der ordentliche, der
laufende Staatsbedarf zu verstehen, der die regelmäßig
wiederkehrenden staatlichen Ausgaben in sich schließt. Außerordent=
liche staatliche Bedürfnisse, die nur unter besonderen Verhältnissen
jeweils hervortreten und mit der laufenden staatlichen Verwaltung
in keinem Zusammenhang stehen, wie der Bau von Eisenbahnen,
ein durch die politischen Verhältnisse bedingter außerordentlicher
Militäraufwand, die Zahlung einer Kriegskostenentschädigung, fallen