Verfassungsurkunde. 8 109. 203
nicht unter den § 109 und werden regelmäßig durch die Aufnahme von
Anlehen gedeckt; für die Erbauung von Staatseisenbahnen ist dieser
Weg durch den Art. 4 des Eisenbahngesetzes vom 18. April 1843
als ordnungsmäßig ausdrücklich anerkannt.
b) Ist gemäß § 109 der ordentliche Staatsbedarf, soweit der
Ertrag des Kammerguts nicht ausreicht, durch Steuermittel zu
decken, so ist zwar eine Abweichung von dieser Vorschrift der Ver-
fassungsurkunde nicht ausgeschlossen; da es sich dabei aber um eine
Abänderung eines Punktes der Verfassung handelt, ist gemäß
§ 176 die Beistimmung von zwei Dritteilen der anwesenden Mit-
glieder in beiden Kammern notwendig. Eine solche Beschlußfassung
erscheint namentlich erforderlich, wenn zur Deckung laufender Be-
dürfnisse Anlehensmittel oder Grundstocksmittel herangezogen werden
wollen. Unseres Wissens wird in einem solchen Falle die Einhal-
tung der Vorschrift des § 176 von der Ständeversammlung nicht
konstatiert, aber dem Wortlaut der Verfassungsurkunde wird nur
die hier vertretene Auslegung gerecht und auch sachliche Gründe
lassen sich für die Erschwerung einer Abweichung von einem gesunden
volkswirtschaftlichen Grundsatz geltend machen.
Jc) Bezüglich der beiden Faktoren, die hiernach die Höhe der
Steuerverwilligung bedingen, des Ertrags des Kammerguts und
des erforderlichen laufenden Staatsbedarfs steht den Ständen das
Prüfungsrecht an der Hand des ihnen zu übergebenden Hauptetats
(§ 111) und der Aufschlüsse über die Verwendung der früheren
Staatseinnahmen (§ 110 und 188 Abs. 2) zu. Soweit nach Fest-
stellung dieser Voraussetzungen Steuern erforderlich sind, ist ihre
Verwilligung eine in § 124 Vl. ausgenommene Verpflichtung
der Stände; den Ständen ist auch ausdrücklich untersagt, in der
nach der altwürttembergischen Verfassung üblichen Weise die Steuer-
verwilligung zur Durchsetzung sonstiger Wünsche zu benützen, die Ver-
willigung der Steuern darf an keine Bedingungen geknüpft werden,
welche die Verwendung dieser Steuern nicht unmittelbar betreffen.
Da ferner die staatliche Verwaltung ausschließlich der Regierung
zukommt und den Ständen nur das Recht der Prüfung zusteht,
können die Stände zwar den Verwaltungsplan der Regierung da-
durch einschränken, daß sie eine ihnen angesonnene Steuer ablehnen