204 Verfassungsurkunde. § 109.
oder verkürzen, sie dürfen aber der Verwaltung aus eigener Ini-
tiative keine neue Bahnen, keine Erweiterung ihres Programms an-
weisen, es ist ihnen untersagt, eine vorgeschlagene Ausgabe oder
eine angesonnene Steuer zu erhöhen oder an die Stelle einer von der
Regierung beantragten Steuer eine andere zu setzen (Verfassungsge-
setz vom 23. Juni 1874 Art. 6); in dieser Richtung sind sie nach
ihrer Wahl auf den Petitionsweg oder auf die Erklärung der Be-
reitwilligkeit zur eventuellen Genehmigung beschränkt.
d) Das landständische Steuerverwilligungsrecht mit den ange-
gebenen Grenzen erstreckt sich auf alle für den Staat nach Maßgabe
der Landesgesetzgebung zur erhebende Steuern, mögen sie direkte
oder indirekte sein, mögen ihre Grundlagen jeweils im Finanzgesetz
bestimmt oder außerhalb desselben in dauernden Steuergesetzen ge-
regelt sein; auch wenn ein solches Steuergesetz eine Abgabe er-
schöpfend regelt und namentlich den Steuersatz fest bestimmt, wie
bei den Wirtschaftsabgaben, den Sporteln, den Gerichtskosten, der
Wandergewerbesteuer, ist zur Erhebung der Steuer die landständische
Ermächtigung nach § 109 Vlu. nötig. Die Ermächtigung wirkt je-
weils nur auf die Dauer der Etatsperiode vorbehältlich der Aus-
nahme in § 114 Vl.; sie muß also für jede Etatsperiode erneuert
werden.
Diese Auslegung des § 109 ergibt sich ohne Weiteres aus seinem
Wortlaut und aus seiner Entstehungsgeschichte, die den Zusammen-
hang mit den Einrichtungen der altwürttembergischen Verfassung
deutlich erkennen läßt; sie steht auch im Einklang mit der konstanten
von Regierung und Landständen befolgten Praxis. Die Einwirkung
der Volksvertretung auf das staatliche Finanzwesen und die staatliche
Verwaltung ruht in Württemberg nicht, wie im Reiche, auf der
Ausgabenverwilligung, sondern auf der Steuerverwilligung; das mit
jeder Etalsperiode wiederkehrende Recht der Steuerverwilligung ist
die feste verfassungsmäßig gesicherte Position, von der aus die Land-
stände ihren Einfluß auf sämtliche staatliche Einnahmen und Aus-
gaben geltend zu machen in der Lage sind.
Eine Abschwächung hat der Satz 2 des § 109 durch den Art.
26 des VerfGes. vom 18. Juli 1906 erlitten (vgl. § 181 Anm. 5).
e) Zur Steuererhebung verlangt § 109 lediglich die „Verwilligung