Verfassungsurkunde. § 112. 217
Die Verfassungsurkunde weiß von solchen Nachtragsetats nichts;
soweit ein Finanzgesetz Steuerverwilligungen oder sonstige gesetzliche
Anordnungen enthält, können diese selbstverständlich nur durch ein
Gesetz abgeändert werden; dagegen schreibt die Verfassungsurkunde
für eine Ergänzung des Voranschlags der Einnahmen und Aus-
gaben, solange sie die Steuerverwilligung nicht berührt, den Ge-
setzgebungsweg nicht vor.
e) Von dem Inhalt des den Ständen zugehenden Hauptfinanz-
etats ist nur der dispositive Teil im Gegensatz zu den Er-
läuterungen zur landständischen Verabschiedung bestimmt; die Er-
läuterungen bilden keinen Gegenstand der ständischen Beschluß-
fassung, die Verwaltung ist an sie formell nicht gebunden.
) Seit 1871/73 (Rbl. v. 1872 S. 152) ist Württemberg von
der dreijährigen Finanzperiod e (§ 112 Vu.) zur zwei-
jährigen übergegangen; seit 1879 ist der Beginn des Etats-
jahrs vom 1. Juli auf den 1. April verlegt. Daß eine Stände-
versammlung den Etat auch über die ihrer Wirksamkeit durch die
Verfassung gesteckte Zeit hinaus genehmigen kann, ist nicht mehr
bestritten.
3. Das landständische Prüfungsrecht. Zu dem § 111
VU. wurde bei dessen Beratung in der Sitzung vom 16. Septem-
ber 1819 von dem Vizepräsidenten von Weishaar bemerkt: „Es sei
ausgesprochen, daß den Ständen das Erkenntnis über die Not-
wendigkeit oder Nützlichkeit der Ausgaben im Staatshaushalt zu-
stehe, von ihnen hänge es also ab, die Bedingungen festzustellen,
unter welchen sie den Hauptetat als geprüft zu erkennen imstande
seien und Erläutern heiße hier nichts anderes als Begründen,
Rechtfertigen; immer aber hänge die Prüfung der Zulänglich-
keit dieser Rechtfertigung von dem Erkenntnis der Stände ab.“
Die Stände haben den ihnen vorgelegten Etat nach den be-
reits erörterten Gesichtspunkten zu prüfen und auf Grund dieser
Prüfung durch Beschlußfassung zu den einzelnen Positionen des
Etats und zu dem Entwurf des Finanz-Gesetzes darüber zu ent-
scheiden, ob und inwieweit die Einnahmen vollständig und sach-
gemäß veranschlagt sind und die eingestellten Ausgaben sich als
notwendig oder nützlich erweisen. Die rechtlich oder politisch not-