260 Verfassungsurkunde. IX. Kapitel.
Zeit gewählten Ständischen Ausschuß wieder in Tätigkeit gesetzt,
somit das Gesetz vom 1. Juli 1849 beseitigt. Im weiteren Verlauf
der rückgängigen Bewegung wurde von der deutschen Bundes-
versammlung am 23. August 1851 beschlossen: „Die sog. Grund-
rechte können weder als Reichsgesetz noch, soweit sie nur auf Grund
des Einf Ges. vom 27. Dezbr. 1848 oder als Teil der Reichsver-
fassung in den einzelnen Staaten für verbindlich erklärt worden
sind, für rechtsgültig gehalten werden; sie sind deshalb insoweit
in allen Bundesstaaten als aufgehoben zu erklären.“" In Württem-
berg wurde dieser Beschluß mit der K. Verordnung vom 5. Ok-
tober 1851 bekannt gegeben, übrigens noch zur Beseitigung der
hervorgetretenen Verschiedenheit der Ansichten durch das von der
ordentlichen Ständeversammlung genehmigte Gesetz vom 2. April
1852 ausdrücklich die Unverbindlichkeit der Grundrechte als Landes-
gesetz ausgesprochen. Mit der K. Verordnung vom 19. März 1851
war die Vornahme der Wahl der Abgeordneten zur zweiten Kammer
der Ständeversammlung angeordnet worden; die Landtagswahlen
wurden im ganzen Lande ordnungsmäßig vollzogen; am 6. Mai
1851 nahm die Ständeversammlung ihre Tätigkeit wieder auf und
hat sie seither in Gemäßheit der Vorschriften der Verfassungsurkunde
ununterbrochen ausgeübt.
Trotzdem kann der Streit über die fortdauernde Gültigkeit des
Gesetzes vom 1. Juli 1849 — in der Theorie wenigstens — nicht
zur Ruhe kommen.
Es läßt sich bezweifeln, ob dieses Gesetz überhaupt rechtsgültig
zu stand gekommen ist. Der Nationalversammlung kam schwerlich
das Recht zu, so wie geschehen über den Bestand der württ. Ver-
fassung zu verfügen, denn die Bundesgewalt hat nie das Recht
gehabt, in die Verfassung der Einzelstaaten direkt einzugreifen,
soweit sie nicht dem Bundesrecht zuwiderliefen. Ferner sollte die Ab-
schaffung der Standesvorrechte nur als ein für das ganze Reich
gleichmäßiges Recht und nicht mit vereinzelter Geltung in diesem
oder jenem Bundesstaat eingeführt werden. Endlich hat die Kam-
mer der Standesherren in ihrer damals letzten Sitzung vom 26. Mai
1819 den von der Kammer der Abgeordneten beratenen Gesetzes-
entwurf noch behandelt und abgelehnt, auch hievon sowohl