Full text: Die Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg.

Verfassungsurkunde. IX. Kapitel. 261 
die Kammer der Abgeordneten als die Regierung in Kenntnis ge- 
setzt; es war daher nicht angängig, nach dem am 29. Mai 1849 
erfolgten Eintritt der Beschlußunfähigkeit der Kammer der Stan- 
desherren deren Einverständnis gemäß § 161 Vl. auch bezüglich 
des von ihr noch ordnungsmäßig abgelehnten Gesetzesentwurfs zu 
unterstellen. 
Jedenfalls aber hätte das Gesetz vom 1. Juli 1849 seine Gül- 
tigkeit wieder verloren. Es stellt sich dar als eine Vollzugsver- 
fügung, als eine Ausführungsbestimmung zu dem Art. 8 des Reichs- 
gesetzes vom 27. Dezember 1848; gemäß einzelnen Anordnungen 
bildet die fortdauernde Gültigkeit dieses Reichsgesetzes, der deutschen 
Reichsverfassung und der Grundrechte des deutschen Volkes eine 
wesentliche unentbehrliche Voraussetzung des württembergischen 
Ausführungsgesetzes; nachdem das Reichsgesetz und die Reichsver- 
sassung und die Grundrechte für Württemberg unbestrittenermaßen 
ihre Geltung verloren haben, ist auch das von ihnen abhängige, 
im Verhältnis einer Zubehörde zu ihnen stehende württ. Gesetz hin- 
fällig geworden; mit der grundlegenden Norm ist die zu ihrer Aus- 
führung bestimmte Norm in Wegfall gekommen; die Anwendung 
der letzteren ist rechtlich und tatsächlich unmöglich geworden: der 
Gegenstand, auf den sie sich bezieht, der Zweck, dem sie dienen soll, 
die Mittel, mit denen sie verwirklicht werden soll, sind entschwun- 
den. Diese Auffassung ist von den für die rechtliche Beurteilung 
der Gesetze in erster Linie zuständigen gesetzgebenden Faktoren über- 
einstimmend als zutreffend anerkannt worden. Angesichts dieses 
gleichmäßigen Verhaltens der gesetzgebenden Faktoren und ange- 
sichts der Tatsache, daß das württ. Volk, soweit ihm das Land- 
tagswahlrecht zusteht, seit dem Jahre 1851, zuerst auf Grund der 
Verfassungsurkunde, später auf Grund der von den gesetzgebenden 
Organen dieser Verfassungsurkunde genehmigten Landtagswahlge- 
setze die Wahlen anstandslos vollzogen und sich damit auf den Boden 
der Verordnung vom 6. Novbr. 1850 gestellt hat, läßt sich ein Ge- 
wohnheitsrecht behaupten, das sich der rechtlichen Wirksam- 
keit des Gesetzes vom 1. Juli 1849 entgegenstellt.
	        
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