Verfassungsurkunde. 8 176. 339
nung vor: „Gestimmt wird zuerst vom Landschaftsdirektor, dann
von dem ersten Mitglied der adelichen, hierauf von dem ersten der
bürgerlichen Bank u. s. w.“ und schließt dann den § 38 mit den
Worten: „Im Fall einer Stimmengleichheit hat der Präsident eine
entscheidende Stimme'" 1). Hätte hier dem Präsidenten ein regel-
mäßiges Stimmrecht zugestanden werden wollen, so wäre sein Platz
in der Reihenfolge so gut, wie bei dem Stimmrecht des Landschafts-
direktors, bezeichnet worden. Nach dem K. Verfassungsentwurf
von 1817 mit dem Zweikammersystem besteht der Vorstand der
Ständeversammlung aus dem Landmarschalle, dessen Verweser, dem
Landschaftsdirektor und dessen Stellvertreter. Die beiden ersteren
bilden zugleich den besonderen Vorstand der Adelskammer und die
zwei letzteren den der Kammer der Volksabgeordneten und nehmen
die ersten Plätze in den Sitzungen ein (§ 279). Gemäß § 294 findet
die Abstimmung in der Weise statt, daß sich zuerst die bejahenden
und wenn diese abgezählt sind, die verneinenden Votanten, die auch
abgezählt werden, erheben; der Paragraph schließt mit dem Satz:
„Im Fall einer Stimmengleichheit hat der Vorsteher in jeder Kam-
mer eine entscheidende Stimme.“ Im § 295 wird dann für Wahlen
bestimmt, daß sich die Ordnung im Abstimmen nach der Sitzordnung
richtet?). Zuzugeben ist, daß diese Vorschriften nicht mit derselben
zwingenden Logik auf das beschränkte Stimmrecht des Vorstehers
hinweisen, immerhin aber legen die Worte, hat eine entschei-
dende Stimme und deren Stellung am Schlusse des Paragra-
phen die Auslegung näher, daß dem Vorsteher nur erst aus der
bei der Stimmensammlung festgestellten Stimmengleichheit das Recht
zur Abgabe einer Stimme erwächst; andernfalls wäre ein Ausdruck
wie „die Stimme des Vorstehers ist entscheidend“ oder „gibt den
Ausschlag" der Sachlage angemessener.
Hiernach ist anzunehmen, daß die drei der Verfassungspropo-
sition von 1819, welche die geltende Norm enthält, vorangehenden
Gesetzesvorlagen das Stimmrecht des Präsidenten auf den Fall der
Stimmengleichheit beschränken, und es erscheint innerlich unwahr-
scheinlich, daß die Verfassungsproposition ohne jede Begründung
Val. ricker a. a. O. S. 45, 48.
2) Vgl. Fricker a. a. O. S. 127, 129.
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