354 Verfassungsurkunde. § 184.
und seines Aufenthalts am Orte der Versammlung an einem an-
dern Orte als Zeuge oder Sachverständiger vernommen werden,
so ist hiezu die Genehmigung der betreffenden Kammer erforderlich
(StPO. §#§# 49, 72; CPO. S§ 382, 402). Aus der Verfassungsur-
kunde gehören hieher die Bestimmungen über die Befreiung des
Eintritts in die Ständeversammlung von einem Urlaub (68 146
Abs. 3), über die Unabhängigkeit des gewählten Abgeordneten von
Instruktionen (§ 155) und über die sog. Immunität der Stände-
mitglieder (§8 184, 185).
3. Der § 184 in seiner Fassung vom Jahre 1874 ist genau dem
Art. 31 der Reichsverfassung nachgebildet; die Auslegung und An-
wendung des letzteren kann deshalb auch hieher verwertet werden?).
4. Die sich aus § 184 in seiner jetzigen Fassung ergebenden
Rechte sind Rechte der Ständekammern und nicht persönliche Rechte
der Ständemitglieder; inwieweit und nach welchen Gesichtspunkten
die Kammern von diesen Rechten Gebrauch machen wollen, steht in
ihrem freien Ermessen.
5. Die strafprozeßrechtliche Vorschrift in Abs. 1 ist durch § 6
Abs. 2 Ziff. 1 Einf Ges. z. StpO. vom 1. Februar 1877 gedeckt.
Im Falle des Abs. 1 bildet die Genehmigung der Kammer eine
Prozeßvoraussetzung; eingeholt wird sie von derjenigen Behörde
(Gericht, Staatsanwaltschaft), die für die betreffende Amtshand-
lung zuständig ist, durch Vermittlung des Staatsministeriums. „Un-
tersuchung“ bedeutet im Unterschiede von dem jetzt im Prozeßrecht
üblichen Sinn die Summe aller derjenigen Amtshandlungen der
zuständigen Behörde, welche darauf abzielen, nach Feststellung einer
strafbaren Handlung den Täter zu ermitteln und zu bestrafen?.
Das Verbot findet auch Anwendung auf das Disziplinarstrafver-
fahren, dagegen nicht auf die Verhängung einer Ordnungsstrafe,
auf ein Zwangsverfahren, auf Verwaltungsmaßnahmen. Zur Fort-
setzung eines anhängigen Strafverfahrens bedarf es keiner Genehmi-
1) Vgl. Laband, Reichsstaatsrecht Bd. 1 S. 329 ff. und die
daselbst angeführte Literatur; ferner Gaupp-Göz S. 109 Note I.
S 205 Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 24
5. 205.