Verfassungsurkunde. § 184. 355
gung), ebensowenig zur Festnahme behufs Vollstreckung einer rechts-
kräftig erkannten Freiheitsstrafe; unter der verbotenen Verhaftung
ist nur die Untersuchungshaft zu verstehen.
Ob die Dauer der Sitzungsperiode auch die Zeit in
sich schließt, während deren die Ständeversammlung vertagt ist,
war bestritten; nach den Einrichtungen, wie sie für den württem-
bergischen Landtag bestehen, war die Frage zu verneinen, wogegen
sie für den Reichstag mit Recht bejaht wird 2). Durch die neue
Fassung des § 184 ist die Frage verneint. Die Verjährung ruht wäh-
rend der Zeit, in der auf Grund gesetzlicher Vorschrift die Straf-
verfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann
(Reichsgesetz vom 26. März 1893).
5. Die Bestimmungen in Abs. 2 nach der Fassung von 1874 über
die Verhaftung wegen Schulden und in Abs. 3 über die Civilhaft ent-
halten civilprozeßrechtliche Normen und sind ersetzt durch die jetzt aus-
schließlich maßgebenden Vorschriften der Civilprozeßordnung. Nach
§ 904 Ziff. 1 und § 933 CPO. ist eine Zwangshaft im Voll-
streckungsverfahren (CPO. S#§ 390 Abs. 2, 888, 901, 933)
gegen Mitglieder einer deutschen gesetzgebenden Versammlung wäh-
rend der Sitzungsperiode unstatthaft, sofern nicht die Versammlung
die Vollstreckung genehmigt, und nach § 904 Ziff. 1 wird eine ge-
gen solche Mitglieder verhängte Haft unterbrochen, wenn die Ver-
sammlung die Freilassung verlangt. Diese Ausnahmevorschriften
finden jedoch auf solche Fälle keine Anwendung, in denen die Haft
als Strafe verhängt wird (CPO. S#§ 380, 390 Abs. 1, 890). In
Berücksichtigung dieser Rechtslage sind bei der neuen Fassung der
seitherige Abs. 2 und die Erwähnung der Civilhaft weggeblieben.
6. Die in Abs. 2 vorgesehene Aufhebung wird nicht von Amts
wegen verfügt, sondern setzt einen ordnungsmäßigen Beschluß der
Kammer voraus, der durch Vermittlung des Staatsministeriums
—., Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 27
2) Ugl. für den Landtag Beschluß des Strafsenats des Ober-
landesgerichts vom 24. März 1897 (Württ. Jahrb. Bd. 9 S. 201 ff.),
für den Reichstag Urteil des 3. Strafsenats des Reichsgerichts vom
25. Febr. 1892 (Entsch. Bd. 22 S. 379).
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