Full text: Die Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg.

382 Verfassungsurkunde. § 195—196. 
richtsbarkeit der ordentlichen Gerichte unterworfene Strafsache dar- 
stellen. Die Verfassungsurkunde will für diesen Fall gemäß § 203 
Abs. 2 dem Verfahren vor dem Staatsgerichtshof den zeitlichen Vor- 
rang geben und ein weiteres Verfahren vor den ordentlichen Straf- 
gerichten ausschließen, wenn der Staatsgerichtshof auf Freisprechung 
erkennt oder nicht die höchste ihm zustehende Strafe beschließt oder diese 
höchste Strafe unter ausdrücklichen Ausschluß einer weiteren Strafe 
verhängt. Diese Beschränkung der ordentlichen Strafgerichtsbarkeit 
ist, da der § 14 Ger Verf Ges. die Staatsgerichtshöfe nicht als be- 
sondere Gerichte zugelassen hat, auf Grund der §#8§ 3 und 6 des 
Einf Ges. zur Reichsstrafprozeßordnung vom 1. Februar 1877 weg- 
gefallen und hiermit, sofern eine zweimalige Bestrafung einer Hand- 
lung unter dem Gesichtspunkt des ordentlichen Strafgesetzes nicht 
angeht und so für den Staatsgerichtshof nur die disziplinäre Ahn- 
dung übrig bleibt, dessen Charakter als Disziplinargericht 
deutlicher zum Ausdruck gebracht #). 
§ 190. TLusammensetzung desselben. 
Der Staatsgerichtshof besteht aus einem Oräsidenten, 
welcher von dem Könige aus den ersten Dorständen der höberen 
Gerichte ernannt wird, und aus zwölf Richtern, wovon der 
König die Zälfte aus den Mitgliedern jener Gerichte ernennt, 
die Ständeversammlung aber die andere Hälfte nebst drei 
Stellvertretern im Susammentritt beider Kammern außerhalb 
ihrer Mitte wählt. 
Unter den ständischen Mitgliedern müssen wenigstens zwei 
Rechtsgelehrte sein, welche auch, mit Dorbehalt der Einwillig- 
ung des Königes, aus Königlichen Staatsdienern gewählt 
werden können. Außerdem müssen die Mitglieder alle zur 
Stelle eines Ständemitgliedes erforderlichen Eigenschaften haben. 
Das Kanzleipersonal wird aus dem Obertribunal ge- 
nommen. 
1. Der Staatsgerichtshof ist ein außerordentlicher stän- 
diger Gerichtshof von wesentlich politischer Be- 
1) Vgl. Kern im Württ. Gerichtsblatt Bd. 20 S. 291—297.
	        
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